Der fiktive Himmel

Der fiktive Himmel

Florian Freistetter im Interview mit egoFM Elise

Warum immer noch so viele Menschen an Horoskope glauben und ab wann Astrologie gefährlich wird, erzählt der Astronom Florian Freistetter.


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Was im Horoskop steht, beziehen viele auf ihren Alltag und richten ihn vielleicht sogar danach aus. Dabei ist Astrologie, also die Sterndeutung, keine Wissenschaft, denn es gibt keinerlei Grundlagen dafür. Ab wann das gefährlich wird und wie man über Astrologie berichten sollte, weiß Astronom und Wissenschaftsautor Florian Freistetter.
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    Florian Freistetter im Interview mit egoFM Elise
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Bild: Florian Freistetter | Franzi Schädel | CC-BY-SA 4.0


Faszination Universum

Vom Weltall war Florian Freistetter schon immer fasziniert. Immerhin seien wir Teil des Universums, sagt er, und alles, was im Universum passiert, betreffe uns auf die ein oder andere Art. Allein das zu verstehen, sei faszinierend. Astronom*innen berechnen zum Beispiel die Position von Himmelskörpern mithilfe von Beobachtungsdaten, Computern und ganz vielen unterschiedlichen Formeln und können dann vorhersagen, wie etwa die Bahn eines Kometen verläuft. Mit diesem realen Universum beschäftigt sich Florian Freistetter lieber als mit dem der Astrologie.

Trennung von Astronomie und Astrologie

Die beiden Disziplinen waren allerdings nicht immer strikt voneinander getrennt. Früher waren Astronomie und Astrologie vereint. Die Menschen schauten zum Himmel, sagt Florian Freistetter, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Sie versuchten zu verstehen, wie sich bestimmte Lichtpunkte bewegen, um Zeit, Kalender oder Landwirtschaft daran anzupassen. Sie machten sich aber auch Gedanken über das menschliche Schicksal und stellten sich die Frage, wie es mit den Sternen zusammenhängen könnte. Die realistischen Erkenntnisse, nämlich die Berechnungen der Lichtpunkte wurde schließlich im 17. Jahrhundert zur Astronomie. Die "übrig gebliebenen Sachen", erzählt Freistetter, werden der Astrologie aufgetragen, deren Inhalt noch heute auf dem Stand von damals ist. Ein Beispiel: In der Astrologie steht nach wie vor die Erde im Zentrum.

 

Der fiktive Himmel

Am Beispiel der Tierkreiszeichen erklärt Florian Freistetter, wie stark sich der Himmel der Astrologie vom realen unterscheidet: Alle Sternbilder sind in zwölf gleich große Abschnitte eingeteilt. Wenn jetzt jemand Schütze ist, dann deshalb, weil aus astrologischer Sicht die Sonne zum Zeitpunkt der Geburt im Sternzeichen Schütze stand. Das Problem sei nur: Die Erdachse schwankt und verschiebt sich langsam. Deshalb hat sich über die Jahrtausende auch der Nullpunkt der Himmelskoordinaten verschoben. Das hätten die Astrolog*innen nicht inkludiert.
"In der realen Welt steht die Sonne irgendwo anders, aber nicht [im Sternzeichen Schütze], weil die astrologische Welt weit von der astronomischen Welt entfernt ist." – Florian Freistetter

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Verantwortung an die Sterne abgeben

Aber wenn die Astrologie keine Wissenschaft ist, wieso glauben dennoch so viele daran und lesen regelmäßig ihr Horoskop? Gut, Horoskope lesen heißt nicht unbedingt, dass man daran glaubt. Laut Florian Freistetter lesen sie viele zur reinen Unterhaltung und nehmen es nicht wirklich ernst. Andere aber wenden sich der Astrologie zu, um Verantwortung abzugeben. Denn es sei natürlich einfacher und attraktiver, eine gescheiterte Beziehung oder eine erfolgslose Jobsuche auf das Sternzeichen zu schieben, anstatt auf sich selbst.
"Die Astrologie ist ein wunderbares Werkzeug, um die Verantwortung anders wohin abzuschieben und das ist attraktiv, aber halt nicht immer zielführend." - Florian Freistetter

Ab wann wird Astrologie gefährlich?

Wenn Menschen an Astrologie glauben, sei das prinzipiell kein Problem, meint Florian Freistetter. Es werde aber dann ein Problem, wenn man mit diesem Glauben konfrontiert wird, obwohl man eigentlich nicht davon beeinflusst werden möchte. Wenn du dich für einen Job bewirbst und astrologisch analysiert wirst zum Beispiel oder wenn du einen Kredit aufnehmen willst. Der Wissenschaftler erzählt, es gebe sogar Banken und Politiker*innen, die sich astrologisch beraten lassen. Keine gute Entscheidungsgrundlage, meint Freistetter.
"Es gibt Menschen […], die solche Entscheidungen von Astrologie abhängig machen. […] Da wärs doch wünschenswert, wenn die Menschen ein bisschen auf die rationalere Seite schauen würden, weil privat kann ich machen was ich will, aber wenn meine Entscheidungen andere Menschen betreffen, dann sollte ich die Entscheidungsgrundlage so sicher wie möglich haben und die Astrologie ist alles andere als eine sichere Entscheidungsgrundlage, weil sie im wesentlichen reiner Aberglaube ist." - Florian Freistetter



False Balance

Und obwohl die Astrologie auf keiner Wissenschaft beruht, wird sie auch in Reportagen, Dokumentationen oder in Büchern noch oft mit Astronomie auf dieselbe Stufe gestellt. Dass man über Astrologie berichtet findet Florian Freistetter gut. Schließlich sei es etwas, was uns Menschen seit Jahrtausenden fasziniert und in der Entwicklung der Menschheit, in Kultur und in Kunst eine große Rolle gespielt hat. Gleichberechtigt über Astrologie und Astronomie diskutieren, sollte man laut dem Wissenschaftler jedoch nicht.
"Die Antwort ist klar: Wir wissen, dass Astrologie nicht das leisten kann, was sie verspricht zu leisten […]. Da muss man nicht so tun, als wäre das eine offene Frage. […] Dieses ganze Mystifizieren der Astrologie, das halte ich nicht für sinnvoll und zielführend." - Florian Freistetter




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