Die Bonnies über ihre dissoziative Identitätsstörung
Was ist eigentlich eine dissoziative Identitätsstörung und was können deren Ursachen sein? Mit welchen Stigmata haben Betroffene auch noch heute zu kämpfen? Wir haben mit Die Bonnies darüber im Interview gesprochen.
Leben mit einer DIS (Dissoziative Identitätsstörung)
Wenn wir über das Thema Identität sprechen, wollen wir den Fokus auch auf ein ganz besonderes Krankheitsbild richten: die Dissoziative Identitätsstörung – früher bekannt als Multiple Persönlichkeiten. Dissoziative Identitätsstörung wird auch kurz einfach nur DIS genannt. Sie wird durch eine überwältigende Belastung oder nach einem Trauma im frühen Kindesalter ausgelöst. Wie der Alltag als DIS-Personen aussieht, zeigen Die Bonnies mit ihren Aufklärungsvideos bei Instagram. Die Bonnies sind selbst seit Kindesalter an von einer dissoziativen Identitätsstörung betroffen. In ihnen sind also viele verschiedene Persönlichkeiten zu Hause, die sich je nach Situation und Trigger abwechseln. Mit 18 Jahren haben die Bonnies eine offizielle Diagnose erhalten.
Wie sie die Diagnose damals aufgenommen haben, warum ihnen die Aufklärungsarbeit auf Instagram so wichtig ist und wie ihr Leben ganz alltäglich so aussieht, darüber haben sie unter anderem mit egoFM Sebastian gesprochen.
Ein Körper, mehrere Persönlichkeiten
Die Bonnies über ihre dissoziative Identitätsstörung
Warum Die Bonnies - also Plural?
Die Bonnies teilen sich gemeinsam einen Körper - und das schon seit sehr vielen Jahren. Die Bonnies haben eine dissoziative Identitätsstörung, wobei die einzelnen Identitäten im Köper abwechselnd die Kontrolle haben. Dabei ist es dann meist auch so, dass sich die Personen, die gerade nicht die Kontrolle haben, auch nicht daran erinnern können, was passiert ist, als eine andere Person "vorne" war und den Körper gesteuert hat. Wenn man über das Thema dissoziative Identitätsstörung spricht, ist es für die Bonnies ganz wichtig, zu Beginn eines ganz klarzustellen:
"Das ist eine Folge von Trauma. Das bedeutet, wenn - ich glaube, man sagt so vor dem fünften, sechsten Lebensjahr - über einen längeren Zeitraum immer wieder schlimmes Trauma passiert, dann kann das eben passieren, dass sich dieses Trauma, das für eine Einzelperson nicht tragbar ist, auf mehrere Personen verteilt sozusagen." - Die Bonnies
Wie viele Personen dabei in einem Körper entstehen, ist sehr unterschiedlich. Bei den Bonnies ist die Zahl im vierstelligen Bereich und sie haben auch noch nicht alle Persönlichkeiten kennengelernt. Dabei wissen auch nicht unbedingt alle Persönlichkeiten voneinander - zumindest im Fall von den Bonnies.
"Es gibt welche, die nicht mal wissen, dass wir viele sind - bis heute nicht. Weil sie einfach so abgetrennt von allem sind. Es gibt aber auch welche, die schon immer wissen, dass wir viele sind, weil sie von innen heraus viel mitbekommen haben. "- Die Bonnies
Die meisten der Persönlichkeiten haben dabei auch Namen (das kann zum Beispiel auch nur eine Zahl sein). Ganz pragmatisch - wenn es zum Beispiel um den Namen auf dem Personalausweis oder an der Wohnungstür geht, tragen alle Persönlichkeiten, insofern sie von der DIS wissen, nach außen hin den Künstler*innennamen Bonnie. Die Persönlichkeiten kommen mit ihren eigenen Namen dafür an anderen Stellen durch:
"Wir haben zum Beispiel tausend verschiedenen E-Mail-Konten."- Die Bonnies
Persönlichkeiten, die nichts von ihrer dissoziative Identitätsstörung wissen
Allerdings kann es auch ziemlich problematisch werden, wenn Persönlichkeiten die Kontrolle haben, die nichts von den anderen oder der DIS wissen. Das passierte zum Beispiel, als die Bonnies im Alter von 18 Jahren ihre Diagnose bekamen.
"Zu dem Zeitpunkt waren Alltagspersonen vorne, die nicht mal eine Ahnung hatten, dass uns jemals ein Trauma passiert ist. Das heißt, wir haben diese Diagnose in einer Klinik bekommen und das erste, was wir gemacht haben war, wir haben uns selbst entlassen und diesen Arztbericht verbrannt. Das heißt, wir wollten das auf gar keinen Fall wahrhaben."- Die Bonnies
Was diese Persönlichkeit bis dato allerdings nicht wusste, ist, dass die Bonnies zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile in Therapie waren. Auch nach der Diagnose gingen die Bonnies weiter zur Therapie und setzen sich mit ihrem Trauma auseinander, sodass es auch die Alltagspersonen nicht mehr leugnen konnten.
Wie sieht der Alltag mit einer DIS aus?
Wir haben von den Bonnies jetzt also schon erfahren, dass nicht alle Persönlichkeit alles wissen was gerade passiert und es auch keine Hauptperson gibt. Bei großen Entscheidungen versuchen sie sich aber vorher abzusprechen und die Entscheidung so gemeinsam zu fällen. Meistens klappt das aber nicht ganz so gut und die Person, die gerade vorn am Steuer ist, macht, was sie möchte.
Und auch körperlich erfahren die einzelnen Persönlichkeiten den Alltag ganz unterschiedlich. Einige haben zum Beispiel eine Allergie gegen den Hund der Bonnies. Manche brauchen eine Brille, andere sehen ohne eine Brille eigentlich viel besser. Auch die Wirkung von Medikamenten und Alkohol nehmen die Persönlichkeiten unterschiedlich wahr.
"Ich wünschte, ich hätte eine Erklärung dafür. Das Problem ist - glaub ich - dass es da halt noch sehr sehr wenig Forschung gibt, weil auch dieses Thema, das ist einfach noch nicht so wirklich verbreitet. Leider. Obwohl es ja gar nicht so selten ist, wie man denkt."- Die Bonnies
Die Bonnies im Netz
Um über die DIS aufzuklären und zu informieren, haben die Bonnies einen Instagram-Kanal gestartet und teilen mittlerweile regelmäßig Posts und Videos über ihr Leben. Die Idee kam ihnen, weil sie sich genau so etwas eigentlich selbst nach ihrer Diagnose gewünscht hätten.
"[Es ist] im ersten Moment total schwierig, da irgendwie auch Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen. Wir haben auch ganz oft erlebt, dass selbst Fachmenschen nicht viel drüber wissen [...]. Weil ganz vielen Menschen gar nicht klar ist, dass Trauma die Ursache ist. Das ist so ein wichtiger Punkt." - Die Bonnies
Außerdem begegnen den Bonnies an vielen Stellen leider immer noch sehr viel Stigma zu ihrer DIS. Aus diesem Grund tragen sie mittlerweile auch immer einen Flyer mit Quellen bei sich, wo sich Interessierte auch einfach informieren können. Wenn du noch mehr über die Bonnies und ihre DIS erfahren willst, kannst du ganz einfach hier bei ihr auf Instagram vorbeischauen.
Wenn es dir gerade akut schlecht geht, findest du erste seelische Unterstützung bei der Telefonseelsorge unter 0800 11 10 111. Hier hast du auch die Möglichkeit anonym und digital mit jemanden zu sprechen.
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