Nana Siebert ist stellvertretende Chefredakteurin der österreichischen Zeitung Der Standard und hat mit uns über ihre Leidenschaft für Reality TV gesprochen.
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17.04.2023
Faszination Reality TV
Mehr Kammerspiel als Krawall-Fernsehen
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Chefredakteurin Nana Siebert über Reality TVDas Interview zum Nachhören
Mehr als Eskapismus
Für Nana selbst spielt Realitätsflucht auf jeden Fall eine gewisse Rolle, wenn sie sich Trash TV anschaut. Allerdings bemerkt sie auch immer öfter, dass sie sich nicht nur berieseln lässt, sondern tatsächlich amüsiert zuschaut und emotionalisiert dabei ist - das ist ja auch das Ziel der Formate. "[Reality TV - Formate] sind in ihrer Machart brillante Produkte. Sie haben lustige und kuriose Einfälle und die besten Formate sind mehr Kammerspiele als Krawall-Fernsehen." - Nana Siebert
Natürlich sind manche Formate nach einiger Zeit vorhersehbar und öde, weswegen sich die Macher*innen immer wieder Neues einfallen lassen müssen. Beim Sommerhaus der Stars ist das neue Alleinstellungsmerkmal, dass die Teilnehmer*innen ihre Lebenspartner*innen mitnehmen, die oft selbst noch nicht im Fernsehen waren.
"Zu beobachten wie die Partner oft entweder reingezogen werden in dieses ganze wahnsinnige Theater oder völlig abgestoßen sind von der Eskalationsbereitschaft ihres Lebensgefährten in so einer Situation, das ist einfach unglaublich spannend. Das ist tatsächlich Soziologie live." - Nana Siebert
Die Zuschauer*innen von Reality TV lassen sich grob in drei Kategorien aufteilen:
Es gibt die Fans der Teilnehmer*innen die mitfiebern, es gibt die, die sich erhaben fühlen wollen und eine ironische Distanz zur Sendung bewahren und es gibt die, die das ganze aus einer soziologischen Sicht betrachten und fasziniert beobachten, wie weit Menschen bereit sind zu gehen.Eine*r muss raus
Mit am wichtigsten ist die Tatsache, dass Personen raus gewählt werden, erzählt Nana. Es muss schließlich Grüppchenbildung und "eine*r gegen alle" oder noch besser "alle gegen eine*n" - Konstellation geben. Das gelingt bei kurzer Sendezeit eben am besten, wenn es Verlierer*innen und Sieger*innen gibt, indem Personen raus gewählt werden - ob das durch das Publikum, die anderen Kandidat*innen oder eine Jury passiert, ist dabei zweitrangig. Denn durch die Gefahr eines Rauswurfs erwacht der Selbsterhaltungstrieb und die Kandidat*innen versuchen Sendezeit für sich zu gewinnen - zur Not auch mit Verhaltensauffälligkeit. Das ist unterhaltsam für die Zuschauer*innen und gut für den Sender.Der ewige Kreislauf des Reality TVs
Reality TV ist eine Maschinerie, die sich selbst füttert. Nana erzählt, dass sie sich mal damit auseinander gesetzt hat, welche Sendungen am meisten Neu-Kandidat*innen für andere Formate hervorbringen. Sie sagt, das meiste Futter in dieser telegenen Wiederverwertungskette produzieren Germany's Next Topmodel, Bachelor/Bachelorette und DSDS.Zu diesem selbst erhaltenden Betrieb kam in den letzten Jahren noch der Faktor Instagram hinzu.
Die Reality TV - Formate verlassen dadurch analoge Fernsehen und Feind- und Freundschaften werden online weiter geführt. Das ist dann wiederum Futter für neue Formate. Außerdem geht es den Kandidat*innen im vornherein schon nicht nur um die TV-Präsenz, sondern um das Grundinteresse, danach im virtuellen Raum Geld zu verdienen."Das TV-Format ist eigentlich nur noch das Vehikel für die Online-Prominenz, die ihnen [den Kandidat*innen] dann das Grundeinkommen sichert." - Nana Siebert
Schaust du selbst gerne aufgeregt jedes neue Trash TV - Format oder findest du die Schlagzeilen zu Formaten wie Sommerhaus der Stars eher besorgniserregend? Erzähl's uns via Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per WhatsApp: 089 / 360 550 460.
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