Meinung: Was bedeutet Identitätspolitik?

Meinung: Was bedeutet Identitätspolitik?

Die Bedürfnisse von Minderheiten im Fokus

Von  Anna Fasciani
Immer wieder entfachen hitzige Debatten rund um das Thema Identitätspolitik. Aber was genau bedeutet das denn überhaupt?

Das ist vielleicht eine andere Art eines Beitrag zu denen, die du sonst bei egoFM hörst und liest - ich erzähle ihn aus meiner Perspektive. Denn das Thema "Identitätspolitik" birgt viele Verallgemeinerungen, wie etwas sein sollte, wie man sich verhalten muss, wie Dinge benannt werden sollten. Oder müssten.

Doch mal ehrlich: Wer weiß, was Identitätspolitik eigentlich bedeutet?

  • Was bedeutet Idenitätspolitik?

Damit ich verstehe, wovon wir hier sprechen, drehe ich die Zeit zurück in die 80er und 90er Jahre. In meiner Klasse waren hauptsächlich deutsche Kinder, ein paar Mitschüler*innen mit Migrationshintergrund. Die "Türken" oder die "Italiener", deren Eltern als Gastarbeiter*innen Jahre zuvor nach Deutschland kamen. Schwule oder Lesben gab es offiziell keine. Gleichgeschlechtliche Eltern saßen nie im Elternabend. Kinder mit nicht weißer Haut wurden Spitznamen gegeben und dass der der süße, schwarze Amerikaner aus der 8b super im Basketball ist, war auch irgendwie klar.

Meinte Mutter sagte immer: Gottes Welt ist groß und bunt.

Habe ich damals einfach so hingenommen, heute weiß ich, was sie meinte. Und ich weiß, dass sie Recht hatte. Allgemein lässt sich sagen: Identität ist das, was den Menschen zu einer individuellen Persönlichkeit macht, die es genau ein Mal auf der Welt gibt. Identitätspolitik bedeutet, die Bedürfnisse einer Minderheit in den Blick zu nehmen und deren Interessen und Ansprüche durchzusetzen.


Das erste Mal wurde das Wort Identitätspolitik 1977 benutzt und zwar vom Combahee River Collective, einem Zusammenschluss von Schwarzen, lesbischen Frauen, die Diskriminierung gemeinsam als Gruppe bekämpfen wollten.


Das ist 46 Jahre her. Zum Glück hat sich seitdem einiges verändert und "Identitätspolitik" hat an Bedeutung gewonnen. Und doch klafft die Schere hier teilweise extrem auseinander. Es gibt linke und rechte Identitätspolitik, die Gefahr ist in beiden Richtungen, dass Menschen ausgegrenzt werden.


Manche Menschen kritisieren die political correctness mit dem Argument, es gehe nicht um Gemeinschaft sondern immer nur um die Unterschiede. In einer Studie aus Deutschland geben 41 Prozent an, dass die politische Korrektheit heutzutage übertrieben sei. 30 Prozent wiederum finden, dass es wichtig sei, nichts zu sagen, was bestimme Gruppen beleidigen könnte. Doch woher weiß ich, was korrekt ist und was beleidigend sein könnte wenn ich mich selbst nicht als Betroffene*r bezeichne?


Ich habe das Gefühl, manchmal nicht zu wissen, was ich sagen DARF, was KORREKT ist und mit welchen Aussagen ich meinem Gegenüber eventuell zu nahe treten oder gar verletzten könnte.

In meiner Recherche zu diesem Beitrag habe ich viele Interviews gelesen von Menschen, die sich selbst zu irgendeiner Minderheit zählen. Und obwohl sie alle das Thema "Identitätspolitik" aus ganz persönlichen Blickwinkeln beschreiben, gibt es einen gemeinsamen Nenner: Lasst uns Toleranz und Sensibilität nicht vergessen. Tolerant denen gegenüber, für die Identitätspolitik ein völlig neues Thema ist. Die sich im Umdenken üben wollen. Sensibel wiederum denen gegenüber, die zur Minderheit gehören, deren Rechte und deren Stimme endlich gesehen und gehört werden müssen.

Auch ich muss umdenken. Und übe es nach wie vor.

Denn ich habe die nächste Generation zuhause am Tisch sitzen, für die schon jetzt völlig klar ist, dass alles sein darf, aber nichts sein muss. Die umgeben sind von Menschen aus der ganzen Welt, mit unterschiedlichstem Aussehen und sexueller Orientierung. Wenn wir unsere Kinder weltoffen erziehen, tolerant und sensibel, dann kann das nur gut sein.

Design ❤ Agentur zwetschke