Lampenfieber als Energiequelle

Lampenfieber als Energiequelle

Prof. Dr. Adina Mornell im Interview mit egoFM Max

Von  Max Klement (Interview)
Zitternde Hände, Herzrasen, Schweißausbrüche - Was gegen Lampenfieber hilft und wie wir dieses Gefühl sogar für etwas Gutes nutzen können, weiß Prof. Dr. Adina Mornell.


Adina Mornell, geboren und aufgewachsen in Los Angeles, war viele Jahre als internationale Konzertpianistin unterwegs. Heute ist sie Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik an der Hochschule für Musik und Theater München. Dort und auch an der Technischen Universität München gibt sie Lampenfieberseminare. Über dieses Thema hat sie auch ein Buch geschrieben (Lampenfieber Und Angst Bei Ausübenden Musikern: Kritische Übersicht Über Die Forschung) – weniger aus eigener Nervosität, sondern mehr aus Interesse, wie sie sagt.
  • Prof. Dr. Adina Mornell über Lampenfieber
    Das komplette Interview mit Max
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Der Körper will überleben

Evolutionär gesehen hängt Lampenfieber mit unserem Überlebensinstinkt zusammen. Unser Körper, sagt Mornell, sei gebaut, geformt und programmiert um zu überleben und reagiert deswegen sofort auf Gefahren. Zwar geht es bei einem Auftritt oder einer Präsentation nicht ums Überleben, es handelt sich aber um ungewöhnliche Situationen, die dem Gehirn ein Alarmsignal senden.

Während ihrer Zeit als Konzertpianistin war Adina Mornell selbst natürlich auch aufgeregt, sie weiß aber inzwischen woher die Nervosität kam und wie man am besten mit ihr umgeht - und vor allem wie nicht:


Lampenfiebermythen:

Je mehr Übung, desto weniger Lampenfieber.

Prof. Dr. Adina Mornell hält das für einen Irrtum. Was stattdessen passiere: Die Menschen lernen langfristig, mit der Aktivierung, also dem Lampenfieber, umzugehen und entwickeln Strategien.
"Wie kann ich diese Energie für mich umbenennen, anders sichten und dann auch fesseln, damit ich das Gefühle habe, wenn mein Herz rast und meine Hände schwitzen und mein Knie zittert, dass ich sage: Ich brauch diese Energie weil die bringt mich zur Spitzenleistung." – Prof. Dr. Adina Mornell


Bei Lampenfieber muss man sich einfach die Leute nackt vorstellen.

Auch das ist laut Mornell ein Mythos. Viel wichtiger sei es, die Gedanken bei sich zu behalten, anstatt an das Publikum zu denken.
"Die Gedanken sollen nicht bei den anderen sein, sie sollen bei mir sein. […] Ich denke aber trotzdem, das Publikum anzuschauen [hilft], dass man sagt ich genieße den Moment, wenn ich im Mittelpunkt stehe." – Prof. Dr. Adina Mornell


Wandle deine Angst einfach in Vorfreude um!

Noch so ein Tipp, den Mornell nicht so hilfreich findet. Denn unser Körper kann nicht unterscheiden, ob wir Angst haben oder positiv aufgeregt sind. Allerdings kann es schon helfen, die Energie der Nervosität zu nutzen:
"Ich freu mich drauf, ich werde das Positive draus ziehen und vor allem: ich brauche diese Energie. […] Ohne diese Energie gibt's nur ein belangloses Gespräch oder ein fades Vorspielen." – Prof. Dr. Adina Mornell



Was wirklich hilft bei Lampenfieber:

An der Technischen Universität München und an der Hochschule für Musik und Theater München gibt Prof. Dr. Adina Mornell sogenannte Lampenfieberseminare. Dort lernen Studierende, dass jede*r ein anderes Rezept für den Umgang mit der Aufregung braucht. Das Rezept besteht allerdings immer aus diesen vier Komponenten: 

  1. Physiologische Komponente (z.B. Herzrasen, Schwitzen)
  2. Kognitive Komponente (Gedanken, die kommen sobald Adrenalin fließt) -> blende negative Gedanken aus und ersetze sie mit positiven
  3. Verhaltenskomponente (Visualisierung) -> stelle dir den Ernstfall vor und spiele durch, wie du reagieren könntest
  4. Emotionale Komponente (Aus welchem Grund handeln wir?) -> frage dich, warum du etwas machst: Brauchst du die Zustimmung anderer Menschen oder bist du selbstsicher?

Anhand dieser Komponenten können wir uns im Vorfeld auf bestimmte Situationen vorbereiten - und Vorbereitung ist das Nonplusultra dieser Strategien, sagt Mornell.


Die Angst vor Fehlern

Oft kommt unser Lampenfieber ja daher, dass wir Angst haben, etwas falsch zu machen und beim Publikum oder Arbeitgeber*innen schlecht anzukommen. Deshalb findet Mornell, sei es enorm wichtig, in der Gesellschaft Fehler zu normalisieren und so Versagensängste zu mindern:
"Wenn wir in der Gesellschaft mehr begrüßen würden aus Fehlern zu lernen und auch diese Erfahrungen kritisch unter die Lupe zu nehmen und zu sagen: Was hab ich richtig gemacht, […] was hat nicht so gut funktioniert […] das wär das Beste was wir machen können, um mit solchen Situationen umzugehen und auch um aus der Welt zu schaffen, dieses Gefühl, das Publikum ist nur da um Fehler zu hören. Das ist auch so ein Quatsch." – Prof. Dr. Adina Mornell

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