Was macht eigentlich ein*e Streetworker*in?

Was macht eigentlich ein*e Streetworker*in?

Kay Mayer von ConAction zu Gast bei Anna

Wenn alle nach dem Feiern den Heimweg antreten, beginnt die Arbeit von Streetworker Kay Mayer und seinem Team.

Am Wochenende platzen die Clubs aus allen Nähten und nicht selten stolpert der*die ein oder andere aus der Tür, der*die zu viel erwischt hat. Klar, dass es zur Wiesn-Zeit in der egoFM Stadt München besonders zu geht. Aber auch sonst hat Kay Mayer mit seinem Team auf der Partymeile Sonnenstraße alle Hände voll zu tun.

Die Streetworker*innen von Condrobs gehen am Wochenende absichtlich dort hin, wo es manchmal unangenehm wird - ConAction heißt das Projekt, das sich um die Feiernden und Durchgefeierten kümmert.



Ansprechpartner*innen für's Partyvolk

Freitags, samstags und vor Feiertagen von elf bis vier Uhr nachts sind die Streetworker*innen von ConAction im Bereich vom Maximilianspark bis ins Glockenbachviertel in München unterwegs als Ansprechpartner*innen für junge Partygänger*innen. Sie halten Ausschau nach Jugendlichen und jungen Erwachsen, die Hilfe brauchen, sich in einer Krise befinden, die zu viel Alkohol erwischt haben oder auch manchmal einfach nur jemanden zum Reden brauchen.

Wer gemäß dem Geschlechterklischee denkt, dass  die Zielgruppe meist nur heranwachsende Männer sind, irrt sich übrigens:

"Die Mädels stehen den Jungs schon 'ne ganze Weile in Nichts mehr nach. In einer gewissen Art und Weise auch viel punktueller und extremer. Oft wird das Ganze - in einer emotionalen Krise zum Beispiel - auch nicht auf den Abend verteilt, sondern das wird auf einmal reingeballert." - Streetworker Kay Mayer

Von Fahrplanauskunft bis Seelsorge

Ihre Arbeit beinhaltet alles, was jede*r von uns schon auf der Straße gesehen hat. Es beginnt bei kleinen Krisen, wenn zum Beispiel junge Touristen nicht (mehr) wissen, welche U-Bahn sie zu ihrem Hotel bringt. Meistens sind es Situationen, in denen Alkohol eine Rolle spielt - also wenn jemand zu viel und/oder zu schnell getrunken hat und nicht mehr ganz auf dem Damm ist, wenn jemand aggressiv wird oder wenn sich emotionale Krisen zwischen Freunden oder einem Paar anbahnen.

Manchmal kommt es auch zu Notsituationen, in denen Kay und seine Kollegen*innen nicht mehr tun können, als weitere Hilfe zu holen - die Polizei oder den Krankenwagen zu rufen.


Ansprechen, eingreifen und helfen

Wie er und sein Team die Leute ansprechen, sei immer sehr situationsabhängig, sagt Kay. Wenn jemand vor dem Club steht oder liegt und offensichtlich in einer problematischen Situation steckt, kann man natürlich erstmal ein banales Einstiegsthema suchen. Manchmal ist es aber besser, Dinge, die die Person nach außen trägt, ganz direkt anzusprechen - wenn sie*er zum Beispiel weint oder aggressiv ist. Im zweiten Schritt versuchen die Streetworker*innen dann, sich so transparent wie möglich zu machen, damit sie*er weiß, dass man vor ihnen nichts befürchten muss - dass sie seriös sind, aber es sich nicht gleich um die Polizei handelt.

Grenzfälle

Wie jede*r hat auch Kay Momente, in denen er für sich selbst entscheiden muss, wann ihn ein Fall zu sehr belastet und er eine*n Kollegen*in bitten muss, diesen zu übernehmen. Besonders nah gehen Kay immer Situationen, die etwas mit häuslicher Gewalt zu tun haben:
 "Bei so etwas bekomme ich sofort Gänsehaut und Kribbeln am ganzen Körper. Ich muss mir dabei immer ein paar Bilder im Kopf zurechtlegen, die mich wieder runterbringen. Auch im Nachhinein kann man dann zu einem kollegialen Austausch bitten oder mit dem Chef darüber reden. Man muss sich damit auseinandersetzen, um zu wissen, was gut für einen selbst ist." - Streetworker Kay Mayer


Präsenz auf der Wiesn

"Jede*r, der*die auf die Wiesn geht, weiß, dass dort oft alle Schranken fallen. Man steht zum Teil daneben und fragt sich 'Hast du gar kein Schamgefühl mehr?' Was wir zudem erschreckend finden, ist, dass das zum Teil auch als ganz legitim und als zur Wiesn dazugehörend angenommen wird." - Kay Mayer
Wie jedes Jahr ist ConAction auch auf der Wiesn vertreten. Im Rahmen von den WiesnGentleman werden täglich von 15 bis 19 Uhr am Esperantoplatz vor dem Eingang zum Oktoberfest Mitarbeiter*innen von Condrobs bereit stehen und gegen Übergriffigkeit, Respektlosigkeit, Grenzüberschreitung und für ein friedliches Miteinander werben.

"Alkohol wird verharmlost"

Das Fiese am Alkohol in unserer Gesellschaft, meint Kay, ist, dass der Rausch und die Sucht legitimiert und verharmlost werden. Es ist leicht sich einzureden, dass es ganz normal ist, dass man jeden Abend einen Schnaps trinkt oder sich jedes Wochenende zur Besinnungslosigkeit betrinkt. Dieses verzerrte Bild kann man sehr lange aufrechterhalten, bis man dann in die Sucht reingerutscht ist und nicht mehr ohne Alkohol kann.

Keine Partypolizei

Die große Feier- und Trinkkultur in Clubs oder wie jedes Jahr auf dem Oktoberfest verleitet die Menschen, über die Stränge zu schlagen. Allerdings wollen Kay Mayer und sein Team da nicht im Weg stehen. Sie sehen sich nicht als die Feierpolizei, sondern wollen den Menschen einen bewussten Umgang mit Alkohol ans Herz legen:
"Es ist uns wichtig, dass die Leute wissen und lernen, wie man richtig feiert. Man sollte einschätzen können, wie viel man verträgt und wie man in gewissen Situationen reagiert. Damit es Leute eben hinbekommen, gut zu feiern." Kay Mayer
Ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Alkohol ist also das Ziel - nicht jeder*m fällt das leicht.

Aber ganz ehrlich: Niemand geht doch mit dem Vorsatz feiern, nachts um halb 2 völlig hackedicht vor dem Club zu liegen oder sich von Freunden nach Hause tragen lassen zu müssen.

Zwischendrin ein Wasser, vielleicht nicht gleich zwei Shots hintereinander und achtsam mit anderen umgehen – so steht dem guten Feiern nichts im Wege. Erkennen kann man Kay uns seine Kollegen*innen übrigens an dem Condrobs-Logo auf ihren Bussen oder auch an den T-Shirts, auf denen der Schriftzug "Respekt" zu lesen ist.
 "Das Nachtleben ist hektisch und oft beeinflusst von Alkohol. Deshalb ist uns die Transparenz besonders wichtig. Damit Leute, die Hilfe brauchen, sofort wissen, dass hier Streetworker unterwegs sind und helfen können." - Kay Mayer


 

Wenn du einmal Hilfe außerhalb der Streetworkerzeiten von elf bis vier Uhr nachts auf der Partymeile brauchst, findest du die Einrichtung von Condrobs an der Schwanthalerhöhe 84. Oder du rufst unter 089/2603685 bei Kay Mayer und seinen Kollegen*innen an.

  • Der Streetworker Kay Mayer von ConAction zu Gast bei Anna
    Das Interview zum Nachhören

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