Einige Arten haben mehrere verschiedene Inventarlisten, bei anderen fehlt eine Auflistung komplett. Biolog*innen wollen deshalb jetzt eine allgemeine Liste aller bisher bekannten Lebewesen aufstellen.
Diese Liste soll die biologische Klassifikation international für alle Institutionen vereinheitlichen - und damit auch einen Teil zum Artenschutz beitragen.
Das weltweite Artensterben
Jeden Tag verschwinden mehrere Hundert Arten von unserer Erde - oft sogar, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Artenschützer*innen sagen, dass die Welt derzeit das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier erlebt.
Dazu kommt, dass die Menschheit Schätzungen zufolge nur ungefähr zehn bis 20 Prozent aller existierenden Lebewesen kennt - und das ist für den Artenschutz eine extrem schwierige Situation.
Schließlich können unbekannte Arten auch nicht aktiv geschützt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Listen, die bisher existieren, sehr chaotisch sind. Von manchen Arten gibt es mehrere Listen, die untereinander konkurrieren, von anderen Arten hingegen gibt es überhaupt keine Auflistung. Und schon darüber, was überhaupt eine Art ist, herrscht Uneinigkeit.
Das Problem der Taxonomie
Die Taxonomie ist ein Teilgebiet der Biologie, in welcher Lebewesen beschrieben, erfasst und in ein hierarchisches System (zum Beispiel nach Art, Gattung oder Familie) eingeteilt werden. Innerhalb der Taxonomie gibt es aber Graubereiche, die nicht auf wissenschaftlicher Basis gelöst werden können - und das führt dann zu den unterschiedlichen Artenlisten.Frank Zachos, Leiter der Säugetiersammlung im Naturhistorischen Museum Wien und Mitautor des Plans, vergleicht das Problem mit der Abgrenzung der eigenen Familie:
"It's like delineating your own family. You will include your cousins, probably your second cousins. Third, fourth, fifth – where do you draw the line? Any such line will be arbitrary and ultimately a matter of taste." - Frank Zachos
Ein Beispiel dafür sind Elefanten. Dass es asiatische und afrikanische Elefanten gibt, darüber sind sich Forscher*innen einig, aber innerhalb der Art der Afrikanischen Elefanten herrscht schon wieder Uneinigkeit:
Die meisten Forscher*innen unterscheiden zwischen dem Waldelefanten und dem Savannenelefanten. Aber es gibt auch Biolog*innen, die sagen dass es nur eine Elefantenart in Afrika gibt und andere wiederum sagen, dass es drei gibt. Und dieses Problem existier bei vielen Lebewesen.
Im Moment gibt es keine Liste, die von allen Institutionen anerkannt wird und aus diesem Grund will ein internationales Forscher*innenteam jetzt eine Inventarliste aller auf der Erde lebender Arten erstellen.
Von Säugetieren über Pflanzen bis hin zu Mikroben
Die Forscher*innen haben zehn Prinzipien vorgeschlagen, um eine Liste mit allen Lebewesen der Erde zu erstellen und zu verwalten. Der Plan ist es, eng mit dem Catalogue of Life zusammenarbeiten und diesen zu modifizieren.Für den Artenschutz ist es extrem wichtig, eine einheitliche Liste zu haben. Denn ob ein Lebewesen zum Beispiel als eigene Unterart anerkannt wird oder nicht, kann rechtlich einen großen Unterschied machen.
Das Beispiel des Mückenfängers
Der Mückenfänger ist ein kleiner Vogel, der unter anderem in Kalifornien in einer isolierten und bedrohten Population lebt. Einige Taxonomen sehen den Mückenfänger, der an der Westküste der USA lebt, als eigene Unterart. Das würde bedeuten, dass dieser nach dem US Endangered Species Act geschützt werden muss. Und dementsprechend müsste auch sein Lebensraum unangetastet bleiben.
Wird der Kalifornien-Mückenfänger aber nicht als eigene, bedrohte Unterart des Mückenfängers anerkannt, muss sein Habitat auch nicht geschützt werden. Das zeigt, dass eine einheitliche Liste helfen kann, rechtliche Fragen zu klären und damit Arten zu schützen.
Natürlich kann diese Liste das Artensterben nicht einfach aufhalten
Aber zumindest deutlich abbremsen. Regierungen und Organisationen sind beim Natur- und Artenschutz auf wissenschaftlich fundierte und allgemein anerkannte Listen angewiesen. Außerdem behindert das Fehlen einer solchen Liste auch das weitere Erforschen der Artenvielfalt und deren Schutz.Denn Lebewesen, die nicht bekannt sind, können eben auch nicht geschützt werden.
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