1,8 Millionen Stimmen sprachen sich für das Volksbegehren zur Artenvielfalt in Bayern aus. Jetzt hat die Landesregierung über den Gesetzesentwurf entschieden - und ihn angenommen.
Seit dem 14. März 2019 ist offiziell: das bayerische Volksbegehren zum Erhalt der Artenvielfalt ist geglückt.
Mit über 1,8 Millionen Stimmen liegt Bayerns erfolgreichstes Volksbegehren der Geschichte bei der Staatsregierung auf dem Schreibtisch. Jetzt hat sie über den weiteren Verlauf entschieden.
Nach dem geglückten Begehren gab es zwei mögliche Szenarien: Nimmt die Regierung des Freistaat Bayerns den Entwurf an, ist die Sache relativ einfach geklärt und die neue Regelung wird so umgesetzt, wie im Begehren festgehalten. Die Regierung hätte den Vorschlag allerdings auch ablehnen können und einen eigenen Gesetzesentwurf kreieren müssen.
Wider den Erwartungen hat die Landesregierung aus CSU und Freien Wählern den Gesetzesvorschlag des Volksbegehrens widerstandslos durchgewunken. Das hat viele bayerische Bürger*innen zunächst verwundert, steht doch vor allem die CSU für eine eher konservative Weltanschauung und regen Kontakt zu Landwirt*innen. Für Ministerpräsident Markus Söder soll das Einbinden des Gesetzesentwurfs ein "Versöhnungsgesetz" sein und die aufgekommenen Wogen glätten.
Ganz unberührt wird der Entwurf des Volksbegehrens zur Artendiversität vermutlich dennoch nicht bleiben, denn die Landesregierung hat die Möglichkeit noch individuelle Veränderungen, durch Ergänzungen und Anhänge vorzunehmen, um den größtmöglichen Konsens zwischen Naturschützern und Landwirten herzustellen. Allerdings bleibt das grobe Modell natürlich erhalten, denn die Politik kann die 1,8 Millionen gesammelten Stimmen nicht einfach vernachlässigen. Bereits im Mai könnte das neue Gesetz integriert und umgesetzt werden.
Wie es weiter geht und wie du die Bienen auch privat zu unterstützen kannst, erfährst du auch auf der Facebook-Seite des Volksbegehrens Artenvielfalt.
Außerdem hat das bayerische Volksbegehren deutschlandweit einen Impuls gesetzt, denn auch andere Bundesländer denken jetzt bereits über ein entsprechendes Volksbegehren zum Erhalt der Artendiversität nach.
Wie du siehst bleibt es weiter spannend. Wie sich die bayerische Staatsregierung bis voraussichtlich Mai entscheidet und wie das finale Gesetz dann aussieht, erfährst du natürlich wieder pünktlich bei uns.
Hier nochmal die ganze Vorgeschichte...
Eigentlich geht es bei dem Volksbegehren nicht nur um die Bienen.
Trotzdem ist auf vielen Plakaten "Rettet die Bienen" zu lesen. Die Initiative aus ÖDP, Grünen, Landesbund für Vogelschutz (LBV) und einer Organisation, die sich für die direkte Demokratie einsetzt, hat sich trotzdem für die fleißigen Honigsammlerinnen als Thema entschieden. Zum einen ist die Biene ein Sympathieträger, zum anderen wissen viele Menschen bereits, wie wichtig die Biene als Teil des Ökosystems ist. Ohne Biene keine Bestäubung, ohne Bestäubung kein Obst. Auch wurde das Sterben der Bienen bereits oft thematisiert. Aber die Bienen stehen nur beispielhaft für den dramatischen Artenschwund in Bayern.So sind in den letzten 30 Jahren die Hälfte aller Feldtiere verschwunden. Durch die Nahrungskette hängt dieser Rückgang mit dem Rückgang der Insekten zusammen. Das ist dir zu abstrakt? Einfaches Beispiel: Wenn du früher mit dem Auto gefahren bist, war oft die ganze Front voll mit Insekten - heutzutage bleibt dein Auto aber (fast) sauber.
Vier Schwerpunkte für mehr Artenvielfalt
Insgesamt fordert das Volksbegehren mehr Schutz für die Artenvielfalt in Bayern. Die Ziele der Initiator*innen lassen sich in vier Schwerpunkten zusammenfassen.Zum einen soll es wieder Biotopverbünde geben. Klingt kompliziert, ist es aber eigentlich nicht. Durch mehr Blühwiesen soll sich das Nahrungsangebot für alle Tiere verbessern. Wichtig ist dabei vor allem, das ein Zusammenhang besteht, sie also miteinander verbunden sind. Wenn Insekten einen zu kleinen Radius zum leben haben, kommt es zu Inzest und dadurch letztendlich zum Tod. Deshalb wird gefordert, dass zehn Prozent der offenen Fläche in Bayern Biotope sein sollen.
Außerdem soll im Freistaat mehr auf biologische Landwirtschaft gesetzt werden. Durch die kleinräumigeren Strukturen soll ein nachhaltiger Umgang mit der Natur sichergestellt werden. Ebenso soll sich auch die Bildung verändern. In Landwirtschaftsschulen soll mehr über die Erhaltung der Artenvielfalt, den richtigen Umgang mit dem Boden und Fruchtfolgen gelehrt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Felder und Wälder, die dem Freistaat Bayern gehören. Sie sollen so schnell wie möglich auf eine ökologische und nachhaltige Betriebsweise umgestellt werden . Ziel soll nicht die Rendite, sondern der Erhalt der Heimat sein.
Durch diese Maßnahmen soll nicht nur der jetzige Zustand erhalten werden, sondern sich auch die Lebensgrundlage für alle Arten verbessern. Den kompletten Gesetzentwurf mit allen geforderten Maßnahmen kannst du hier nachlesen.
Viermal so viele Unterstütz*innen wie benötigt
Das sich die Initiator*innen für ein Volksbegehren, und keine Petition entschieden haben, war ein ganz bewusster Schritt. Zwar kann letzteres auch ganz entspannt online unterschrieben werden, einen verbindenden Charakter hat es aber nicht. Eine Petition ist daher nur eine Bitte, freiwillig etwas zu ändern. Ein Volksbegehren dagegen ist ein "Rechtsgebungsverfahren". Dadurch ist es dem Volk möglich, selbst ein Gesetz zu machen. Damit es überhaupt dazu kommt, müssen zunächst mindestens 25.000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Bei dem "Volksbegehren Artenvielfalt" konnten bayernweit fast 100.000 Unterstützer*innen gefunden werden.Vom 31. Januar bis 13. Februar 2019 konntest du dich nun für das Volksbegehren schriftlich eintragen. Das geht in den meisten Rathäusern.
Volksbegehren könnte neues Gesetz erzwingen
Wenn in diesen zwei Wochen eine Millionen Unterschriften zusammen kommen, muss sich der bayerische Landtag damit auseinander setzen. Dieser hat dann zwei Möglichkeiten: Zum einen können die Parlamentarier*innen den Gesetzentwurf direkt annehmen. Wenn sie das aber nicht machen, dann kommt es zu einem Volksentscheid. Dann dürften voraussichtlich im Mai, sofern es dazu kommt, alle Wahlberechtigten in Bayern über den Gesetzesentwurf abstimmen. Die einfache Mehrheit der abgegeben Stimmen ist ausreichend.Die letzte Volksentscheid fand vor zehn Jahren statt und wollte den Nichtraucherschutz verbessern. 61 Prozent der Wähler*innen stimmte dafür.
Kritik: Volksbegehren zu einseitig
Was sagen diejenigen dazu, die die Auswirkungen des Volksbegehren direkt betreffen würde?
egoFM Hörer Stefan kennt sich gut mit Bienen aus, denn er imkert selbst. Er wird das Volksbegehren unterschreiben, da die Artenvielfalt für ihn wichtig ist und er die Insektenvielfalt erhalten möchte. Damit ist er nicht alleine - fast alle seiner Kolleg*innen, mit denen er über das Thema gesprochen hat werden wohl ebenfalls unterschreiben und sich so für Bienen und andere Insekten einsetzen. Dennoch hat er Verständnis für Landwirt*innen, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt sehen und unter den (schon jetzt hohen) Auflagen leiden. Stefan wohnt auf dem Land und erlebt so direkt mit, dass neue Anordnungen sich direkt auf den Gewinn der Bäuerinnen und Bauern auswirke. Wenn erst vor kurzem ein neuer Stall gebaut worden sei, werde es dadurch schwierig, die Finanzierung zu stemmen.Ähnlich sieht es auch Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband. Das generelle Vorhaben, den Artenschutz in Bayern zu stärken, befürwortet er. Dieser Aspekt werde auch von den meisten Landwirt*innen unterstützt. Dennoch ist er der Meinung:
"Das Volksbegehren ist zwar gut gedacht - aber schlecht gemacht".Es sei nicht nur eine Unterschrift für ein Thema, sondern das Volksbegehren fordere ein "knallhartes Gesetz". Sollte dieses Gesetz so kommen, dann dürften andere Umweltmaßnahmen aus rechtliche Gründen dann nicht mehr gefördert werden. Dadurch könnte es laut dem Bayerischen Bauernverband am Ende nicht mehr wie gefordert mehr, sogar weniger Umweltschutz geben. Er wünscht sich, dass ein gemeinsamer Weg zusammen mit den Landwirt*innen erarbeitet werde, bei der die finanzielle Unterstützung (sogenannte "Agrarumweltmaßnahmen") erhalten bleibt. Mit dem jetzigen Vorschlag des Volksbegehrens würden aber die Landwirt*innen bestraft, die sich bereits heute besonders für den Natur- und Artenschutz einsetzen würden.
Den Bayerischen Bauernverband stört zudem, dass das Volksbegehren thematisch recht einseitig sei. Es gehe nur um Vorschriften für die Landwirtschaft (mit Ausnahme des letzten Punktes, hierbei geht es um die Lichtverschmutzung). Dabei seien zahlreiche verschiedene Faktoren am Rückgang der Artenvielfalt im Freistaat schuld: Der hohe Flächenverbrauch durch immer mehr Gewerbeflächen und Umgehungsstraßen, dass mittlerweile überall in der Natur gewandert oder mit dem Mountainbike gefahren werde und auch das viele Reisen, das ebenfalls einen direkten Einfluss auf die Tier- und Pflanzenwelt habe. Die Aufmerksamkeit auf das Thema sei zwar gut, der Verband möchte diese aber nutzen, um die finanziellen Förderprogramme zu stärken.
Diesen Punkt sieht auch Imker Stefan so. Daher sollte sich jede*r Gedanken machen, wie er das Thema generell unterstützen könnte. Biologische Landwirtschaft sei zwar "eine super Sache" - nütze aber nichts, wenn das niemand unterstützt. So produziere eine Molkerei in seiner Umgebung zu viel Bio-Milch. Weil es dort aber zu wenig Abnehmer*innen gebe, werde die Milch bis nach Hamburg transportiert - "das kann nicht Sinn und Zweck von Bio sein", so Stefan.
Warum die Bienen stellvertretend für die ganze Artenvielfalt stehen und was genau ein Volksbegehren ist, haben wir von Nicolaus Teixeira erfahren. Er ist der Projektleiter des "Volksbegehren Artenschutz".
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