Vom Traumberuf zum Albtraum

Vom Traumberuf zum Albtraum

Intensivpflegerin Julia im Interview mit egoFM Elise

Julia hat 23 Jahre lang als Intensivpflegerin gearbeitet – solange, bis sie körperlich am Ende war.

Im Interview mit Elise hat Julia von den hohen Belastungen und Problemen der Branche berichtet.
  • Vom Traumberuf zum Alptraum
    Intensivpflegerin Julia im Interview mit Elise


Der Anfang

Ursprünglich wollte Julia Goldschmiedin oder Schneiderin werden, ihre Eltern haben ihr allerdings davon abgeraten und so hat sie sich während der Schulzeit nach anderen Berufen umgesehen. In einem Praktikum in der Palliativstation hat sie sich so gut aufgehoben gefühlt, dass sie sich letztendlich für diesen Berufsweg entschieden hat.
 

Arbeitsalltag 

Julias Arbeitsalltag war vor allem durch frühes Aufstehen geprägt, der Arbeitstag beginnt meistens um 6 Uhr morgens. Der Beruf ist körperlich und seelisch fordernd.
"Es gehört Freude dazu, es gehört Trauer dazu, es gehört Wut dazu, Fassungslosigkeit, Entsetzen und auch ganz viel körperliche Arbeit." – Julia
Freude hatte sie an ihrem Job, weil sie mit anderen Menschen zusammengearbeitet hat. Der Kontakt zu Patient*innen und Kolleg*innen hat ihr am meisten Spaß bereitet, erzählt Julia im Interview.


 

Der Traumberuf wurde zum Alptraum

Doch Spaß hat aufgrund der hohen Belastung keine große Rolle mehr gespielt. Schon vor Corona hat Julia ihren Job aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen gekündigt. Sie hat die letzten Jahre ihrer Zeit als Intensivpflegerin aus verschiedenen Gründen gezweifelt. Julia sagt, es war ihr Traumberuf, der aber irgendwann zum Alptraum wurde. Letztendlich hat sie dann auf ihren Körper gehört, der nicht mehr konnte. Was Julia zudem zur Verzweiflung gebracht hat, ist das fehlende Ansehen in der Gesellschaft. Pflegende Personen – egal ob Intensivpfleger*innen oder Altenpfleger*innen – haben keine Lobby und leiden unter immer unmenschlicheren Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung.
 

Patient*innen und Pflegende leiden unter Personalmangel

Es gab oft Momente, in denen sie ihren Beruf nicht mehr angemessen erfüllen konnte. Die Stationen kämpfen mit chronischem Personalmangel, es sind immer zu wenige Leute vor Ort. Die Patient*innen müssen aber trotzdem versorgt und betreut werden, die Pfleger*innen versuchen immer ihr Bestes zu geben, müssen aber auch irgendwo Abstriche machen.
"Vielleicht kann der ein oder andere da gut mit umgehen, ich kann das nicht. Wenn ich am Ende des Tages das Gefühl habe, dass ich den Bedürfnissen des Menschen überhaupt nicht gerecht geworden bin - das ist für mich schlimm, das kann ich nicht gut aushalten." - Julia
 


Verschlechterung der Zustände

Als Julia 1996 angefangen hat, als Pflegerin zu arbeiten, waren die Bedingungen noch besser. Dass sie das so wahrnimmt, kann allerdings auch daran liegen, dass sie damals noch jünger war und als Berufsanfängerin für den Job brannte. Da sieht man auch über viele Dinge hinweg, die einem mit der Zeit immer mehr auffallen, gibt sie zu. Damit sie wieder in die Branche zurückkehren würde, müsste die Politik massive Veränderungen vorantreiben, stellt Julia klar.
 

Julias Wunsch

Von der Gesellschaft würde sich die Intensivpflegerin mehr Anerkennung wünschen und dass die Leute sehen, was der Beruf ist: weitaus mehr als sich um die Ausscheidungen von Menschen kümmern, sondern ein Beruf, für den man teilweise fünf Jahre lernt, viel leisten muss und viel federn lässt. Denn hinter Pflegekräften stecken genauso Menschen, die unter den Schicksalen der Menschen leiden – auch damit werden sie allein gelassen. Julia ist der Meinung, mehr Anerkennung in der Gesellschaft wäre schon sehr viel wert.

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