Manch ein Mensch würde behaupten, man könne sich nicht als Filmliebhaber*in darstellen, ohne bestimmte alte Schinken angeschaut zu haben. Unsere Autorin sagt: doch! Weil viele alte Filme einfach unerträglich schlecht gealtert sind.
Welche Filme muss man als Filmliebhaber*in gesehen haben?
Schlechte Bild- und Tonqualität, schlechte Schnitte, schlechte Effekte und als ob das nicht schon reichen würde, sind die Geschichten langsam erzählt und mit diversen negativen Ismen wie Sexismus und Rassismus versehen. Jep, ich hasse alte Filme und finde es wirklich unerträglich, diese anzuschauen.Jetzt ist es natürlich völlig legitim zu sagen: "Ja und? Was soll mich jetzt dein persönlicher Geschmack tangieren?" Na, und genau der Meinung bin ich auch, aber im umgekehrten Sinne. Immerhin reagiert jeder Film liebende Mensch dem ich sage, dass ich mit Klassikern wie Casablanca, Rocky, Apocalypse Now oder Vom Winde verweht nichts anfangen kann regelrecht empört, denn das könne ja nicht sein, "solch bahnbrechende Meisterwerke", man müsse die Kunst doch zu schätzen wissen, pipapo, blablabla. So ein Bullshit.
Warum soll ich mindestens 90 Minuten meiner Lebenszeit für etwas verschwenden, das hoffnungslos schlecht gealtert ist?
Warum muss ich mir öde Plots reinziehen, in denen es nur um toxische Männlichkeit, Gewalt und Rachsucht geht. Oder klischeehafte Liebesgeschichten, in denen Single-Frauen stets die einsamen Opfer sind und nur erlöst werden können, wenn da schon wieder ein Klischeemann um die Ecke kommt. Oder Filme, der sich an rassistischen Stereotypen bedient? Die Antwort sollte "Musst du nicht" sein, ohne aber mir dabei abzusprechen, eine echte Filmliebhaberin zu sein.Was an alten Filmklassikern problematisch ist
Viele alte Klassiker sind Filme von weißen Männern mit weißen Männern in den Hauptrollen.
Die weißen Männer hinter der Kamera (Drehbuchautoren und Regisseure) haben oft diese total bescheuerte Heldengeschichte (absichtlich nicht gegendert) im Kopf, in der es darum geht, entweder eine Frau, das Land oder die ganze Welt zu retten. An dieser Stelle kommt der Begriff "Male Gaze" ins Spiel. Dabei handelt es sich um einen männlichen Blick, beziehungsweise viel mehr die Perspektive eines männlichen, heterosexuellen Mannes, aus der Geschichten erzählt und Figuren kreiert werden. So werden Frauen beispielsweise als sexuelle Objekte präsentiert und dürfen in vielen Filmen lediglich als Motivation des Helden fungieren. Oder ganz als ob alles, was Frauen im Leben wollen und brauchen Weddings, Babies and Wine wären...:@heytamra Weddings and babies and wine! #tropes #feminist #movieclips #womenbelike
♬ original sound - Tamra Brown
Wie wir mit schlecht gealterten Filmen umgehen können
Eine Möglichkeit: Kommentieren statt zensieren
Ich könnte mir vorstellen, dass die ein oder andere Person nun ein halb ironisches, halb erbostes "DaRf MaN dAnN gAr kEinEn FiLm MeHr ScHaUeN?!" erwidern will. Die kurze Antwort darauf: doch klar. Ich fände es auch nicht gut, problematische Inhalte der Vergangenheit einfach aus unserem Gedächtnis zu löschen. Wenn man sich das unbedingt geben will, ist es meiner Meinung nach aber dringend notwendig, alte Schinken mit einem kritischen Blick zu betrachten und vor allem problematische Details gegenüber jenen zu kommentieren, die es noch nicht besser wissen - zum Beispiel Kindern.Dabei ist Disney mal ein gutes Vorbild: Auf der Streaming-Plattform Disney+ werden mittlerweile Filme, die rassistische Stereotypen zeigen, auf dem Kinderprofil gar nicht angezeigt und sind nur noch im Erwachsenenprofil gezeigt - jedoch mit einem Disclaimer, dass und warum bestimmte Szenen problematisch sind. An dieser Stelle habe ich die Sache einmal ganz ausführlich erläutert.
Dass damals alles scheiße war, heißt aber nicht, dass es in Zukunft so weiter gehen muss.
Ich finde es wichtig, dass nicht aus Bequemlichkeit die selben Narrativen immer und immer wieder reproduziert werden, sondern sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht wird, welche Wirkung beziehungsweise Macht die Filmindustrie und dessen Storytelling in der Gesellschaft hat. Dazu müssen neue Regeln aufgestellt und Herangehensweisen angepasst werden. In den letzten Jahren hat sich dahingehend immerhin auch schon einiges getan.Zum einen gibt es nämlich immer mehr Schauspieler*innen, die sich zukünftig klar gegen den Male Gaze stellen. Eine davon ist Keira Knightley, die Anfang des Jahres verkündet hat, sie würde unter den Fuchteln eines männlichen Regisseurs keine Sexszenen mehr drehen.
Außerdem setzt Hollywood inzwischen mehr auf Quoten, dass sich auch die Regeln der Oscars dahingehend geändert haben: Ab 2024 gibt es bestimmte Standards für die Kategorie "Bester Film", die erfüllt werden müssen. Um nominiert werden zu können, muss beispielsweise mindestens eine Hauptrolle von einer Person einer marginalisierten Gruppe gespielt werden oder der Filmplot sich um Frauen, LGBTQIA*, PoC oder einen Menschen mit Behinderung drehen. Eine andere Möglichkeit, sich für eine Nominierung zu qualifizieren, besteht darin, hinter der Kamera für Diversität zu sorgen: Dazu müssen beispielsweise zwei Führungskräfte wie Regisseur*in oder Kameramensch weiblich, queer, behindert oder PoC sein.
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