Die Frankfurter Buchmesse ist zwar schon vorbei, in unserer Literaturwoche kommen wir aber nicht drum herum darüber zu sprechen: die Anwesenheit rechter Verlage. Wegen diesen haben einige Autor*innen ihre Auftritte abgesagt, die Veranstalter*innen argumentieren mit Meinungsfreiheit.
Aber erstmal von vorn
Begonnen hat alles am 18. Oktober mit einem Statement der Comedy- und Buchautorin Jasmina Kuhnke, auf Twitter bekannt als Quattromilf. Sie sollte als Überraschungsgästin bei der ARD-Radiokulturnacht der Bücher und in der Diskussionsrunde "Die Streiterinnen" ihren Debütroman Schwarzes Herz vorstellen. Überraschungsgästin deshalb, weil Jasmina Kuhnke als Schwarze Frau, die sich immer wieder gegen Rassismus einsetzen muss, nur unter besonderen Schutzmaßnahmen an Veranstaltungen teilnehmen kann.Diese Sicherheitsvorkehrung ist eine Konsequenz der Bedrohung durch rechte Gewalt, mit der Jasmina Kuhnke immer wieder konfrontiert ist. Im Februar wurde ihre Adresse im Internet veröffentlicht, sie erhielt Morddrohungen und auf YouTube wurde dazu aufgerufen, sie zu "massakrieren". Daraufhin musste die Autorin mit ihrer sechsköpfigen Familie umziehen.
In ihrem Statement hat Jasmina Kuhnke angekündigt, ihre Auftritte bei der Buchmesse abzusagen. Sie habe durch einen Instagram-Post von Hami Nguyen erfahren, dass der rechte Verlag Jungeuropa direkt neben der großen Bühne "Blaues Sofa" des ZDF und dem gewerkschaftlichen Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausstellen darf. Da also Rechtsextreme auf der Messe anwesend sein würden, sei die Gefahr für Jasmina Kuhnke zu groß, schreibt sie auf Twitter und Instagram.
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Solidarität von vielen Seiten
Neben ihr haben einzelne andere Autor*innen ebenfalls beschlossen, als Konsequenz auf die Anwesenheit des rechten Verlages nicht an der Buchmesse teilzunehmen. So haben einige Autor*innen sich aufgrund eigener Betroffenheit oder in Solidarität dagegen entschieden, ihre Bücher dort vorzustellen: Annabelle Mandeng mit Umwege sind auch Wege, Nikeata Thompson mit Schwarz auf weiß, Ciani-Sophia Hoeder mit Wut und Böse, Riccardo Simonetti mit Mama, ich bin schwul, Raul Krauthausen mit Wie kann ich was bewegen? und auch der Verlag &Töchter sagte den Besuch mit Schwarz wird großgeschrieben ab.Alle mit dieser Konsequenz zufriedenstellen konnten sie nicht, aber das war vermutlich auch nicht das Ziel. Von diversen Medien wurde ihnen vorgeworfen, damit Schwäche zu zeigen und den Raum für ihre Gegner*innen zu räumen. Aber auch diejenigen, die ihre Auftritte nicht abgesagt haben, wurden kritisiert. Warum können wir uns denn nicht einfach darauf einigen, dass jede*r seinen persönlichen Umgang damit gefunden hat und das völlig in Ordnung ist? Man kann auch trotz Teilnahme, solidarisch handeln, wie Carolin Kebekus zum Beispiel gezeigt hat. Sie sollte eigentlich ihren eigenen Roman Es kann nur eine geben auf der ZDF-Bühne vorstellen, hat aber stattdessen eine Passage aus Jasmina Kuhnkes Schwarzes Herz vorgelesen - von wegen, es könne nur eine geben!
Was verbirgt sich hinter dem problematischen Verlag?
Verleger Philip Stein ist gleichzeitig Vorstand des rechtsextremen Gemeinschaftsprojekts "Ein Prozent". Im März hat er getwittert, man solle Jasmina Kuhnke (die übrigens in Hagen geboren wurde) abschieben. "Ein Prozent" wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall gelistet, genau wie die beiden Mitgründer Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer.Jungeuropa verlegt faschistische Bücher. Aktueller Toptitel des Verlags ist ein Buch von Alain de Benoist, der als Vordenker der Neuen Rechten gilt und dessen Ideen von der Identitären Bewegung aufgegriffen werden - und das ist nur ein Beispiel für die Art der Bücher des Verlags.
"Das ist ein Verlag von Faschisten für Faschisten. Das ist der ganze Daseinszweck des Verlags." - Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl auf Twitter
Nicht die erste Diskussion um Rechtsextreme
Die Diskussion um die Anwesenheit rechtsradikaler Verlage bei der Frankfurter Buchmesse ist nicht neu. 2017 kam es zum Eklat an einem Stand der Wochenzeitung Junge Freiheit. Achim Bergmann, der Leiter des Verlags Trikont bekam im Vorbeilaufen mit, wie dort rechte Parolen verbreitet worden sind und hat lautstark widersprochen. Daraufhin schlug ein Mann aus dem Publikum den damals 74-jährigen ins Gesicht. Keine*r von den Zuhörenden kam ihm zu Hilfe, auch nicht als seine Partnerin den Schläger fotografieren wollte, der sie dann aber zu Boden schmiss und ihr Mobilgerät durch die Messehalle geworfen hat. Nur Austeller*innen eines Comic-Verlags halfen den beiden, bis die Polizei eintraf.Die Frankfurter Buchmesse beharrt auf Meinungsfreiheit
An den Veranstalter*innen ist die Kritik natürlich nicht vorbeigegangen und sie haben folgende Stellungnahme veröffentlicht:
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Der Direktor der Messe Jürgen Boos begründet die Anwesenheit des rechtsradikalen Verlages mit der Meinungsfreiheit. An diesem Statement gibt es einiges zu kritisieren. Wenn eine Meinung die Würde anderer Menschen angreift, sollte man sie nicht tolerieren.
"Es gibt da das 'Toleranz-Paradoxon' von Karl Popper. Das besagt: Man darf intolerante Menschen nicht tolerieren, sonst stirbt die Toleranz mit ihnen. Und intolerante Menschen sind nach Poppers Definition Menschen, die Andersdenkenden entweder Gewalt androhen oder sogar Gewalt ausüben und Menschen, die den rationalen Diskurs verweigern." – Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim bei ttt – titel, thesen, temperamente
Durch die rechtsradikalen "Meinungen" können von Rassismus betroffene Personen nicht an der Messe teilnehmen, da sie sonst um ihre Sicherheit fürchten müssen. Doch die Buchmesse entscheidet sich für die Anwesenheit rechter Verlage und gegen die von People of Colour. Die Buchmesse schreibt in ihrem Statement, sie bieten "Keine Bühne für Rassismus", gestatten aber Rassist*innen einen Stand. Wenn das keine Bühne für Rassismus ist, was denn dann? Indem man ihnen die Präsenz gewährt, macht man ihre Ideologien salonfähig; drückt damit aus, dass diese Teil eines legitimen Meinungsspektrums seien.
Die Monopolstellung
Weiter argumentiert die Buchmesse, dass sie aufgrund ihrer Monopolstellung Verlagen den Zugang nicht ohne triftigen Grund verweigern könne. Ob sie diese Stellung wirklich hat, ist aber nicht eindeutig. Selbst wenn, könnte sie die Teilnahme von bestimmten inhaltlichen Vorgaben abhängig machen, wie dem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. In den eigenen Teilnahmebedingungen schreiben die Betreiber*innen sogar: "Ein Rechtsanspruch auf Zulassung besteht nicht."Die zentrale Platzierung
Nun wurden sie aber trotzdem zugelassen - anscheinend zwar ungern - aber es stellt sich hier die Frage, wieso man deren Stand dann so zentral platziert. Auf der eigenen Website verkündet der Verlag stolz:"Unsere Platzierung in Halle 3.1 (Stand G1) ist 'glücklich' – denn wir stellen direkt neben den großen Bühnen des ZDF aus. Diesmal also: keine Sackgasse, keine düsteren Ecken, keine (räumliche) Isolation. Stattdessen sind wir dieses Jahr mittendrin." – Philip Stein
Alles klar. So distanziert man sich also entschieden von Rassismus. Wenn man deren faschistischem Gedankengut schon Raum gibt, warum dann zusätzlich einen derart prominenten Ausstellungsplatz? In der Vergangenheit wurde der Verlag schließlich auch dezentral platziert, da sollte es doch keine große Schwierigkeit darstellen, weiterhin so vorzugehen – eher eine Notwendigkeit.
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