Das Trio kehrt nach zehn Jahren mit ihrem ambitioniertesten Album ever zurück.
Stell dir vor, du musst einem Menschen erklären, der seit 2011 unter einem W-Lan-losen Felsen gelebt hat und jetzt frisch zurück in der Zivilisation ist, erzählen, was seit seinem Abtauchen so passiert ist. In deinem Leben, aber auch in der Welt. Alles also. Puh…
Alles neu
So viel hat sich gesellschaftlich, politisch, technologisch und, ach ja, gesundheitlich, verändert seit dem die Bright Eyes das letzte Mal gemeinsam Musik veröffentlicht haben.Mit ihrem zehnten Album melden sie sich nun zurück. Down In The Weeds, Where The World Once Was ist dabei nichts weniger als ihr ambitioniertestes Projekt ever geworden.
Im Ernst: Schon die Dauer von über einer Stunde verrät, dass es sich hier um ein Werk handelt, das man nicht mal so nebenbei hören sollte. Wer sich drauf einlässt wird aber belohnt.
Anstrengend aber lohnenswert
Die Intensität, mit der Sänger Conor Oberst seine Beobachtungen darbringt war nie stärker. Liegt natürlich auch daran, dass Mike Mogis und Nate Walcott, seine treuen Mitstreiter das beste aus ihren Parts herausholen. So experimentierfreudig klang die Band noch nie. Vermischt werden Folk, Ragtime, Gospel, Singer/Songwriter zu einer krätig-deftigen Indierockbrühe. Gastkoch Flea (Red Hot Chili Peppers) darf auch noch mitrühren.
So zum Beispiel unter anderem bei "Mariana Trench", einer der Vorabsingles. Darin übt Oberst harsche Kapitalismuskritik: Ein Mensch kann in dieser Welt nicht eine integre und rechtschaffene Persönlichkeit haben, wenn er gleichzeitig gesellschaftlich akzeptiert sein möchte, sprich finanziell erfolgreich. In einer Welt, die so kapitalistisch ausgerichtet ist, wie die unsere, wird jede und jeder zwangsläufig zum Heuchler.
Mit seinen Texten versucht Conor Oberst den großen Coup.
Obwohl nie eindeutig persönlich, hat man immer das Gefühl, dass es, wie auch bei "Mariana Trench" ein bisschen um ihn selbst geht. Seine Liebe, seine Trauer, seine Hoffnungsschimmer und seine Enttäuschungen sie alle werden in einen weltumfassenden Kontext gestellt. Wie reagiert die Welt auf seine Depressionen, seine Verliebtheit, seine Wut und Trauer? Welchen Effekt haben Armut, Hunger, Politik, Weltgeschehen auf einen Einzelnen.
Was also hat sich geändert, seit 2011, fragt der Mensch aus der ersten Zeile dieses Textes. "Alles", antwortet Conor Oberst, "und nichts."
Reunion an Weihnachten
Noch nie hat die Band so ausbalanciert geklungen. Das liegt an der gewaltigen Freude, die sie verspüren, wenn sie wieder zusammen musizieren. An einer Weihnachtsparty im Haus von Mike, kam Conor die Idee zur Wiedervereinigung. Aus dem Badezimmer riefen sie Nate an, der grade beim Geschenkekauf war. Die Tatsache, dass alle drei sofort Feuer und Flamme füreinander und das gemeinsame Projekt waren spiegelt sich ebenfalls im massiven Sound des Albums wider.
Down In The Weeds, Where The World Once Was ist sehr anspruchsvoll.
Wenn die Texte zu kryptisch oder die Dudelsäcke zu schief sind. Gehört aber alles so, wird es auch mal anstrengend. Wer sich aber mal so richtig in Musik suhlen möchte, wer vielleicht auch Arcade Fires Funeral mochte oder Pure Comedy von Father John Misty, der wird sich hier sehr sehr lange dran satt hören können.
Tracklist: Bright Eyes - Down In The Weeds, Where The World Once Was
01 Pageturner’s Rag02 Dance and Sing
03 Just Once In The World
04 Mariana Trench
05 One And Done
06 Pan and Broom
07 Stariwell Song
08 Persona Non Grata
09 Tilt-A-Whirl
10 Hot Car In The Sun
11 Forced Convalescence
12 To Death’s Heart (In Three Parts)
13 Calais to Dover
14 Comet Song
Down In The Weeds, Where The World Once Was ist am 21. August bei Dead Oceans erschienen.
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