Worum geht es eigentlich im gruseligsten Schlaflied aller Zeiten? Liest man quer durch diverse Foren, pendeln die meisten Vermutungen zwischen Depression und Drogensucht. Was auch gar nicht so abwegig ist, in Anbetracht von Robert Smiths Vergangenheit, in der beide Themen eine große Rolle spielten. Dabei ist die Wahrheit eine ganz andere...
Schlafenszeit, Schreckenszeit
Hach, es gibt doch nichts Schöneres: Ein weiterer Tag auf diesem gottverdammten Planeten wurde gemeistert und man liegt im kuschligen Bett und ist bereit, zumindest die nächsten Stunden nichts von den aktuellen Gräuelnachrichten mitzubekommen. Kopfkissen zurechtrücken, die Füßchen brav anziehen, dass die bloß nicht unter der Decke hervorschauen, Licht aus und... scheiße. Was ist denn das da? Da in der Ecke? War da vielleicht schon immer ein Fleck, den man heute erst bemerkt? Aber Momentchen mal. Dieser "Fleck" bewegt sich doch! Licht an.Ein paar mal fest blinzeln, bis die Äuglein nicht mehr geblendet sind. Doch während sich das Kribbeln im Blick langsam erholt, wird das Krabbeln an der Wand immer deutlicher. Eine Spinne! Die kann gar so klein sein, mit einer Spinne im Zimmer, die auch noch die Frechheit besitzt, sich zu bewegen, lässt sich es nun wirklich sehr schwer schlafen. Also nochmal aufstehen, Glas holen, irgendein Papier suchen. Auf die Spinne drauf. Papier drunter schieben. Fenster auf. Spinne raus. Zack, Fenster zu. Zurück ins Bett. Endlich schlafen...
Wenn dieses Event nicht eine Kette an Gedankenströmen auslöst...
- "Spinnen verstecken sich meistens hinter Möbeln - woher will ich wissen, dass sich nicht noch eine andere im Zimmer befindet, die mir dann todessüchtig in den Mund krabbelt?"
- "Diese Szene erinnert mich jetzt aber ganz schön unangenehm an DIE EINE Szene aus Hereditary" (aaaah)
- "War der Wäscheberg auf meinem Wäschestuhl eigentlich schon immer so hoch.... ODER SITZT DA JEMAND"
Als Kind hatte Smith elendige Angst vorm Einschlafen
I feel him - so ging's mir auch. Bis in die Tiefen meiner Jugend musste eigentlich immer ein Lichtlein brennen, andernfalls hat mein Gehirn die größten Horrortrips gefahren. Grund dafür könnte sein, dass ich mit meinen großen Brüdern viel zu früh schon angefangen habe, Horrorfilme anzuschauen. Der Grund für Robert Smiths Angst rührt größtenteils von seinem Vater. Der hätte ihm laut eigenen Aussagen gerne mal Schlaflieder vorgesungen, die absolut verstörende Schlusssätze gehabt hätten."[In den Songs meines Vaters] wäre etwas wie 'Schlaf jetzt, hübsches Baby', und dann gäbe es ein 'Oder du wachst gar nicht mehr auf'-Coda am Ende des Songs", erklärte Robert Smith mal in einem Interview.
Überhaupt können Schlaflieder ganz schön gruselig sein
Während man ja eigentlich denken könnte, dass Schlaflieder Kinder beruhigen und entspannt ins Reich der Träume geleiten sollten, gibt es den ein oder anderen Songs mit furchteinflößenden Lyrics. So endet "Rock-a-bye Baby" mit den Zeilen:When the bough breaks, the cradle will fall
And down will come baby, cradle and all
Auch im deutschen Schlafliederrepertoire gibt es dazu ein bekanntes Beispiel: "Guten Abend, gut' Nacht". Dort wird gesungen:
Morgen früh, wenn Gott will
Wirst du wieder geweckt
Ja nu, und wenn er nicht will? Das kann selbst Kinder mit einer Aufmerksamkeitsspanne von 3 Sekunden zum Grübeln bringen...
Die Spinne: Ein wiederkehrendes Element in Robert Smiths Albträumen
Als Erwachsener hat Robert Smith dann die Chance ergriffen, sein eigenes verstörendes Schlaflied zu komponieren. Nicht nur die catchy Melodie krabbelt in dein Öhrchen und macht es sich dort bequem - gerade die von Smith gehauchten Lyrics gehen unter die Haut. Die Hauptfigur: eine Menschen fressende Spinne. Denn von Spinnen hat Smith öfter mal schlecht geträumt. Zum Beispiel, wie er von einer verschlungen wird. So singt er in "Lullaby":Suddenly a movement in the corner of the room
And there is nothing I can do
When I realize with fright
That the spiderman is having me for dinner tonight
Das Musikvideo ist ein kleiner Horrorfilm
Inspiriert von David Lynchs Eraserhead hat Regisseur Tim Pope ein Meisterwerk geschaffen, das 1990 mit einen Brit Award ausgezeichnet wurde. Wir sehen Smith, im Bett liegend mit strengen Augen alle Spinnennetze überprüfend (Junge, Zeit für Frühjahrsputz!). An der Wand eine große Uhr, das Ticken setzt den Rhythmus, doch die Zeit vergeht vergeht gefühlt kaum. Das Einschlafen wird zur unerträglichen Ewigkeit. Während Smith die weirden Nachbarn vorm Fenster kaum beeindrucken, erstarrt sein Körper, als sein Blick auf eine Spinne fällt... die langsam aber sicher näher kommt..."Ich weigerte mich, die echte Spinne auf mir zu haben", sagte Smith 1991 mal gegenüber dem Select Magazine. "Sie hatten einen Typen dort mit einem Gegengift, und ich habe es versucht, aber ich konnte einfach nicht."
Wer kann's ihm schon übel nehmen.
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