Ein Soulalbum für die Instagram-Ära.
Als britische Sängerin hat man es heutzutage wahrlich nicht so leicht.
Man kann noch so talentiert sein – die Konkurrenz wirkt einfach zu erdrückend. Wie soll man seine Spuren hinterlassen, wenn die eine Hälfte der Szene noch Amy Winehouse nachtrauert und die andere nur noch Augen und Ohren für Adele offen hat? Eine mögliche Antwort ist so einfach wie kompliziert: Man muss nur etwas wirklich Wichtiges zu Sagen haben - und genau das hat Joy Crookes: Auf ihrem Debütalbum Skin macht sie sich auf die Suche nach ihrer eigenen Identität und liefert einen gefühlvollen Blick auf das Post-Brexit-England.
Nostalgie nach dem Jetzt
Ihre Stimme kann ziemlich täuschen: Wenn man Joy Crookes zuhört, denken wohl erst mal nur die wenigsten an eine Frau, die vor Kurzem noch für das Jugendwort hätte abstimmen dürfen. Aber Joy muss sich eben auch mit moderneren Problemen rumschlagen – zum Beispiel der Angst vor digitalen Fehltritten. "Feet Don't Fail Me Now" ist vielleicht so etwas wie der erste Cancel Culture Blues und zeigt die bizarren Seiten von Onlineaktivismus ziemlich deutlich auf. Und auch wenn Joy sich nostalgisch in die Vergangenheit träumt, singt sie eben nicht von vergangenen Dekaden, sondern vielmehr vom Sommer 2016."When You Were Mine" zeigt besonders gut, was die Sängerin so besonders macht: Der Song ist so ein Stück über die erste große Liebe, die nicht halten wollte, aber statt kompromissloser Abrechnung oder reuevollem Rückblick, bringt Joy komplexere Emotionen rüber: Sie schafft es ihrem früheren Partner gleichzeitig zum späteren Outing zu gratulieren und dem neuen Paar alles Gute zu wünschen und eben dann doch noch die nachvollziehbaren Funken Eifersucht mit unterzubringen. An anderer Stelle darf aber auch kompromissloser angeklagt werden: Politische Parteien, die auf Kosten der Zukunft sich die Gegenwart schön machen, bekommen in "Kingdom" die angemessene Abreibung.
Passend zur schrofferen Wortwahl dürfen hier auch die Gitarren etwas mehr kratzen:
Aus dem warmen Soulsound entsteht fast schon etwas Punkiges. Auch sonst bemüht sich Joy Crookes so viele Facetten wie möglich in ihren Sound einfließen zu lassen. "19th Floor" hat den trippigen Charme einer James Bond Eröffnungshymne und "Trouble" spielt mit Reggae Einflüssen. Diese Vielseitigkeit ist kein reiner Selbstzweck, sie helfen Joy dabei, ihren Textzeilen mehr Nachdruck zu verleihen. "Unlearn You" ist ein unglaublich berührender und verstörender Song über Missbrauch, der dank behutsamer Streicher und schmerzhaftem Klavier seine volle Wucht entfalten kann.
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