Caribou - Our Love

Caribou - Our Love

Der Lieblingstonträger der Woche

Caribou macht Kinder froh. Und alle anderen auch. Sowieso.

Das erste, was man bemerkt, wenn man sich Dan Snaith anschaut, ist, dass er ein bisschen wie Dominik Kollmann aussieht. Aber noch etwas fällt einem auf: Er wirkt glücklich. Sehr ruhig, sehr in sich gekehrt (so isser halt) aber sehr mit sich zufrieden. Er hat Spaß. An seiner Arbeit, seinem Leben.

Wir alle erinnern uns noch an das letzte Caribou-Album. Swim war ein Meisterwerk der Verspieltheit, des bizarren Gefrickels. Mittlerweile übersteigt die Anzahl unserer Versuche all die „Suns“ in „Sun“ zu zählen wahrscheinlich im ein vielfaches die Zahl der tatsächlichen „Suns“ in „Sun“. Der Titelname das Albums war Programm. Auf Swim verhielten sich die einzelnen Songstrukturen zueinander als seien sie Flüssigkeiten. Nicht greifbar, immer in Bewegung, sie laufen zusammen und auseinander fließen mal ganz sachte und mal ganz wild, je nachdem wie Poseidon Caribou mit dem Dreizack dirigierte.

Auf seinem neuesten Album hat sich sein Sound keineswegs verändert. Doch in Dan Snaiths Leben selbst hat sich viel verändert in den vier Jahren seit Swim. Eine eigene Welttournee, noch eine mit Radiohead. Oh, und dann wurde er auch noch Papa. Sein Leben sei nun viel geselliger als damals verriet er im Interview: Er braucht Zeit für seine Tochter, seine Frau, seine Eltern, die jetzt eine Enkelin und seine Freunde, die auch alle gleichaltrige Kinder haben. Früher war er der einsame Nerd, der sich wochenlang im Studio einschloss und Musik atmete. Heute geht er auch mal raus.

Caribous Leben ist heute mehr das, was manche vielleicht „strukturiert“ nennen mögen. Ein Haus, eine Familie, eine Karriere. Und auch sein neues Album Our Love klingt, im Vergleich zum schwimmenden Vorgänger klarer. Es passieren nicht mehr zehn, zwölf, zwanzig Dinge gleichzeitig und über- und untereinander. Er war darauf fokussiert Dinge wegzunehmen, zu reduzieren. Zwei Mark ins Phrasenschwein, aber es stimmt: Weniger ist mehr.

Manchmal folgen die verschiedenen Songeinheiten sogar nacheinander, wie beim Titeltrack. Erst die repetitiven Lyrics, dann das Beatbrett, dann die überraschenden Streicher:


In Our Love geht es um die Liebe. Die Liebe eines Vaters zu seiner Familie und den Menschen, mit denen er sie umgibt und die Liebe eines Künstlers zu seiner Berufung und zu denjenigen, die ihm die Liebe dafür zurückgeben. Unsere Liebe. Das klingt, wenn man das so liest, super kitschig. Nur ein weiteres Album über Liebe. Wenn man das Album aber hört, klingen die Sätze nicht mehr ganz so pathetisch. Es ist ja nicht so, als ob Caribou zehn Powerpop-Schmacht-Balladen aufgenommen hätte.

„Can’t Do Without You“ war ein sehr guter Vorgeschmack:



Musikalisch klingt Our Love manchmal wie 90er Jahre House, manchmal nach 2014er R’n’B, Produzenten wie Mike Will Made It oder Hit Boy haben ihn inspiriert, aber auch diejenigen, die schon vor Jahrzehnten über die Liebe gesungen haben. Stevie Wonder oder Sly Stone. Die Sounds sind da, sie sind klar, sie wandern immer noch im Kopf hin und her, wenn sie erstmal drin sind, aber anders als bei Swim schwappen sie nicht mehr über und schlagen Gischt, sondern sie sind einem sehr nahe.

Ein Song ist einer langjährigen Freundin gewidmet, „Julia Brightly“. Vor 15 Jahren fing sie als Tonmann an. Ja: Mann! Julia war transsexuell und begann ihre Geschlechtsumwandlung zur Frau. Der Prozess dauerte fünf Jahre und Caribou und seine Crew waren täglich hautnah mit dabei und deswegen auch am Boden zerstört als Julia vor Kurzem überraschend an Krebs starb. Mit diesem Song zollt er ihr Tribut.

Our Love ist also ein Album voller Liebeserklärungen. Vorne bis hinten und in sich selbst schön, wie es wahrscheinlich nur Caribou hinbekommt, ohne uns in triefendem Kitsch und Fremdscham versinken zu lassen. Der Mathematiker Caribou, der alles und jeden berechnen kann und trotzdem so fest auf der Erde steht, dass er den Blick für die unberechenbaren Dinge nicht verliert. Weil er älter und weiser und kahler geworden ist und mit sich und den Seinen glücklich ist und sie mit ihm. Und wir mit uns und allem anderen ebenso.

Am 19. Oktober spielt Caribou in der Muffathalle in München. Wir nehmen euch mit.

Tracklist: Caribou – Our Love
01 Can’t Do Without You cover Caribou Our Love s
02 Silver
03 All I Ever Need
04 Our Love
05 Dive
06 Second Chance
07 Julia Brightly
08 Mars
09 Back Home
10 Your Love Will Set You Free

Our Love
von Caribou ist letzten Freitag, 3. Oktober auf City Slang erschienen.

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