Michael Kiwanuka: Small Changes

Michael Kiwanuka: Small Changes

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Der Mercury Prize Gewinner liefert ein Album zum Davonschweben.

Wer hat eigentlich behauptet, dass die Weihnachtszeit besinnlich ist?

Okay, im ein oder anderen Film sieht das ja ganz ansehnlich aus, eine komplett eingeschneite Stadt und die Familie beim Schneeflocken beobachten auf der Couch. Die Realität schaut aber spätestens nach der Kindheit anders aus: Todesstress beim Geschenke besorgen, mit Hängen und Würgen die letzten Arbeitsprojekte vor dem Jahreswechsel hinbekommen und wenn es wirklich mal schneit, steckt man wahrscheinlich quälend lange Zeit im Zug fest. Vielleicht braucht es also gerade kein Album für die besinnliche Zeit, sondern ein Album, das ums Verrecken endlich mal den Stress ein bisschen in die Schranken weisen kann.

Und da kommt Michael Kiwanuka jetzt genau richtig.

Seelenmikroskop

Okay, das ist vielleicht erstmal ein merkwürdiger Fokus. Denn Michael Kiwanuka kann die ganz großen Gesten und die ganz große Bühne. Das hat er nicht nur als Support für Adele bewiesen. Der Brite kann problemlos jedes Festival in seinen Bann ziehen – egal, wie viel Pyroshow der Act davor im Programm hatte. Auch deswegen überrascht Small Changes so sehr, denn hier setzt Michael Kiwanuka auf den deutlich kleineren Rahmen. Hier wirkt er nicht mehr wie der Anführer einer Soul Big Band:

Man kriegt beim Hören fast den Eindruck, als würde er mit Gitarre im Anschlag direkt gegenübersitzen – und dabei den Blick manchmal verträumt durch die Gegend schweifen lassen, um aber gleich danach wieder intensiven Blickkontakt zu halten.

Was Michael Kiwanuka hier musikalisch auf die Kopfhörer zaubert, erinnert manchmal fast an so etwas wie Trip Hop aus dem Hause Massive Attack. Natürlich ohne Turntable Scratches oder so etwas, dafür alles rein organisch eingespielt. Aber der hypnotische Basslauf und der vornehm subtile Groove von "The Rest of Me" entfachen eine ganz ähnliche Sogwirkung. Und auch wenn Small Changes erstmal nach einer kleineren Nummer klingt als zum Beispiel KIWANUKA, trügt da der Schein dann doch ein wenig: Klar, die großen Epen wie "Black Man In A White World" tauchen hier zwar nicht auf, aber trotzdem entfachen "Rebel Soul", "Live For Your Love" oder auch "Lowdown" subtile, aber doch gigantische Soundkulissen.

Small Changes zündet also vielleicht nicht ganz so schnell, aber dann lässt es nicht mehr los.

Klein ist Auslegungssache

Auch an ein paar Veränderungen in Michaels Texten muss man sich gewöhnen. Früher hat Michael ja gerne auch mal gesellschaftliche Zustände angeprangert. Small Changes fokussiert sich deutlich mehr auf die Geschichten im eigenen Kopf. Das macht auch ziemlich großen Sinn, die Veränderungen in Michaels Leben waren nämlich nicht besonders klein. Er ist Vater geworden und hat die Großstadt hinter sich gelassen – kein Wunder also, dass sich Small Changes so sehr nach Entschleunigung sehnt. Und das bekommt die Platte aufs Eindrucksvollste hin.

Small Changes kriegt selbst den emotional aufgeladensten Tag noch irgendwie auf ein erträgliches Niveau heruntergekühlt – das ist kaum noch ein Album, fast schon ein Lifehack.




Tracklist: Michael Kiwanuka - Small Changes

  1. Floating Parade
  2. Small Changes
  3. One And Only
  4. Rebel Soul
  5. Lowdown (part i)
  6. Lowdown (part ii)
  7. Follow Your Dreams
  8. Live For Your Love
  9. Stay By My Side
  10. The Rest Of Me
  11. Four Long Years
Small Changes wurde am 22. November 2024 via Polydor veröffentlicht.



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