Soccer Mommy: Evergreen

Das Album der Woche

Von Vitus Aumann

Das absolut perfekte Herbstalbum kommt genau rechtzeitig.

Was ist denn so ein richtiger Evergreen?

"Lemon Tree" wahrscheinlich. Vielleicht auch "Dancing Queen" von ABBA und so ziemlich jeder zweite Song der Beatles. Eben einfach ein Song, der die Jahre überdauert und auch noch Ewigkeiten später taufrisch wirkt. Ist der Albumtitel hier quasi gleich eine ziemlich ambitionierte Ansage?
Naja nicht unbedingt: Evergreen ist zwar ein englisches Wort, aber in Amerika nimmt man das nicht wirklich her, um einen musikalischen Dauerbrenner zu beschreiben.

Evergreen von Soccer Mommy wird also wahrscheinlich nicht auf Ewigkeiten in den Hitparaden festhängen – auch wenn die Songs das natürlich sowas von verdient hätten.

Indie Darling, gut gealtert

Sophies Geschichte ist mittlerweile nicht mehr ganz so ungewöhnlich. Das mit dem Songs schreiben fing schon ganz früh, ohne große professionelle Ambition an. Aber irgendwann hat sie ihre Lieder eben auch ins Netz gestellt und sich den Namen Soccer Mommy gegeben.

Und plötzlich ist die Fangemeinde eben so groß, dass die Musik zum Vollzeitjob werden kann

Dabei hat Soccer Mommy immer eine gewisse Vielseitigkeit ausgezeichnet: Ihre Musik ist zwar auf jeden Fall im 90s Alternative verwurzelt, aber sie hat überhaupt keine Probleme damit, auch mal über den Tellerrand zu schauen. Sometimes, Forever hatte zum Beispiel dank Produzent Daniel Lopatin einen ziemlich wilden Sound, irgendwo zwischen Dreampop und Glitchcore. Evergreen geht jetzt aber wieder in eine andere Richtung: Das Album klingt deutlich wärmer, organischer und handgemachter. "Changes" überrascht zum Beispiel mit sanften Flötenklängen, die dem Song einen herrlich verträumt-nebeligen Charme geben. "Driver" packt dann die E-Gitarre in den Vordergrund und wird so zum größten Rocksong, den Soccer Mommy je geschrieben hat. Und "Abigail" stupst mit sanften Streichern sogar Erinnerungen an The Cure an.

Weltschmerz im Stardew Valley

"Abigail" ist sowieso ein ziemliches Schmankerl – zumindest für jeden Menschen, der schon mal Stardew Valley gespielt hat. Sophie hat hier das wahrscheinlich süßeste Liebeslied geschrieben, das jemals einer virtuellen Spielfigur geschrieben wurde. Sonst stecken die Texte von Soccer Mommy aber ziemlich in der Realität – und sind auch meistens höchstens bittersüß.

Schon Opener "Lost" macht eigentlich klar, um was es hier gehen soll: Das Thema von Evergreen ist der Verlust. Sophie singt über Konflikte, die für immer ungelöst bleiben werden, über Kleinigkeiten, die sofort wieder die Erinnerung hochholen und über die Zeit, die verstreicht, während das Bild im Kopf gleich bleibt.

Evergreen steht hier also absolut nicht für einen Dauerbrenner in den Charts, sondern für die Erinnerung, die niemals verblassen wird – auch wenn man den Menschen nie wieder sehen kann. Und dieses Bild macht genauso fertig, wie es irgendwie auch tröstet...