Twenty One Pilots: Scaled and Icy

Twenty One Pilots: Scaled and Icy

Der Lieblingstonträger der Woche

Von  Vitus Aumann
Das amerikanische Duo sucht den Weg zurück in die Normalität


Eigentlich müsste 2021 doch das Jahr der Twenty One Pilots werden – und das nicht nur, weil die Band das Jahr schon im Namen trägt.

Mit Blurryface haben sich Tyler und Joseph schließlich eine weltweit enorme Fangemeinde erspielt und nach Trench waren auch immer mehr Kritiker*innen vom innovativen Sound und kompromisslosen Genremischmasch beeindruckt. Jetzt steht der großen Welteroberung natürlich immer noch dieses Blöde Wort mit C im Weg. Trotzdem haben es sich die beiden nicht nehmen lassen, ein etwas zurückgenommenes, weil pandemiekonformes Album herauszubringen.

Und irgendwie wirkt Scaled and Icy wie der erheiternde Lichtblick am Ende des viel zu langen Coronatunnels.


  • Twenty One Pilots - Scaled and Icy
    Der Lieblingstonträger der Woche

Komfortzone Isolation

Für die Twenty One PIlots hat sich beim Albummachen einiges verändert. Josh hat geheiratet, Tyler ist Vater geworden. Achja – und dann gab es ja auch noch diese Pandemie. Der Albumtitel ist auch gleich ein direkter Verweis auf die veränderten Lebensumstände dieser merkwürdigen Zeit. Scaled and Icy ist die Kurzform von Scaled Back und Isolated, also zurückgeschraubt und isoliert.

Wer jetzt aber eine düstere Abrechnung mit dem vergangenen Horrorjahr erwartet, wird überrascht: Es klingt fast so, als wollten die beiden den Pandemiestress einfach weglächeln.

Denn aufs erste Hören bekommt man die bisher am besten gelaunte Twenty One Pilots Platte serviert. "Good Day" könnte mit seinen heiteren Klavierklängen ein Sitcom Special eröffnen. "Saturday" liefert derweil allerhöchste Ohrwurmgefahr und die erste Single "Shy Away" zieht schmissig und beschwingt die Stimmung nach oben.

Auf früheren Alben zog es die beiden auf ihrer wilden Genremischfahrt auch immer wieder gerne mal in etwas härtere Genres, aber Scaled and Icy bleibt bewusst meistens in der wohlklingenden Komfortzone. Auch wenn in "No Chances" mal kurz eine Art düsterer Mönchsgesang minimal verstören mag, findet auch der Song schnell wieder in Hymnenmäßigen Indie-Rap zurück.



Abschied von Clancy

Nicht nur der Sound ist deutlich entschlackt: Auch beim sonst so komplexen Narrativ um die Platte herum treten die Twenty One Pilots dieses Mal etwas kürzer. Es gibt nicht wie bei Trench eine weitreichende Geschichte über theokratische Städte und leichenfressende Geier: Der Albumtitel ist sogar ein Anagram von "Clancy is Dead", der Protagonist der früheren Geschichte wird also gleich im Titel der Platte zu Grabe getragen. Die Songs erzählen dieses Mal dafür in sich geschlossene Geschichten, die passend zum Sound für gute Laune sorgen.

Beispiele gefällig? "Formidable" ist eine wirklich süße Liebeserklärung von Sänger Tyler an Drummer Josh, "Saturday" ist dem unerschütterlichen Durchhaltevermögen von Tylers Ehefrau gewidmet und "Shy Away" ist eine Ode dafür, beim Songwriting einfach nicht aufzugeben.

Das ist stellenweise schon ein bisschen kitschig, aber wenn man bewusst den Pandemiefrust weggrooven will, ist sogar das mal okay.




Tracklist: Twenty One Pilots - Scaled and Icy

1 Good Day
2 Choker
3 Shy Away
4 The Outside
5 Saturday
6 Never Take It
7 Mulberry Street
8 Formidable
9 Bounce Man
10 No Chances
11 Redecorate

Scaled and Icy von Twenty One Pilots wurde am 21. Mai 2021 via Fueled by Ramen veröffentlicht.

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