Whitney: Candid

Whitney: Candid

Der Lieblingstonträger der Woche

Mit Folk und Herz covern sich Whitney durch fünf Jahrzehnte. Das neue Album ist zum Wohlfühlen.

Seien wir ehrlich, die meisten Coverversionen sind grauenhaft. Es gibt aber auch sehr viele sehr gute Cover. Florence + The Machines "You’ve got the Love" ist zum Beispiel eins, das dem Original in nichts nachsteht. Johnny Cashs "Hurt" ist in vielen Ohren besser als das der Nine Inch Nails. Und Nirvanas MTV-Unplugged ist sogar gespickt mit vielen Covern (darunter "The Man Who Sold The World" von David Bowie) und wäre ohne diese Neuinterpretationen nie so ein Dauerbrenner geworden.

Das Coveralbum, eine ausgestorbene Kunstform?

Julien und Max, die beiden Gründer und Protagonisten der Band Whitney haben nun ebenfalls fleißig gecovert. Und das auf Albumlänge.

Angefangen hat es als Spielerei. Zum Warmwerden, zum Jammen oder live haben sie schon seit Beginn an fremde Lieder gespielt. Im Februar haben Julien und Max den Rest der Band ins Studio geholt, um zwei, drei Coversongs aufzunehmen, die die Band übers Jahr verteilt releasen wollte.

Kleine Vergissmeinnichts, die die Zeit zwischen Album (Forever Turned Around aus 2019) und Tour verkürzen und die Band im Zeitalter der Spotify-Logarithmen nicht verschwinden lassen sollten.

Aus diesen Sessions ist nun Candid, ein zehn Songs umfassendes Album entstanden.

Trademark Whitney


Da ist zum Beispiel "Strange Overtones", im Original von Brian Eno und David Byrne stammend. Nach der Whitney-Behandlung ist es im Kern immer noch der gleiche Song (der dramatische Gitarren-Akkord zu Beginn des Refrains ist zum Beispiel übernommen worden).

Stattdessen wurden die Synthies komplett ersetzt und dem Song, der sonst eher nach Afterhour-Indie-Avantgarde klingt, hat nun sein ganz eigenes Flair. Ein Country-Soul-Gemisch, ein uramerikanischer Sound, der aber warm, modern und fröhlich klingt. Trademark Whitney.



Während die Connection des Originals und der Neuauflage sich hier zumindest noch nachvollziehen lässt, hat "Bank Head" (im Original von Kelela), mit dem das Album öffnet, mit der Coverversion fast gar nichts mehr zu tun.
"Wir lieben all diese Songs. Wir wollten sehen, ob wir um ihre Skelette herum, ein neues Gewand erschaffen können."

Zur "Kunstform Coveralbum": Irgendwann kommt für viele Künstler*Innen der Zeitpunkt, so nach dem dritten, vierten Best Of/Live Album, dass man zum Covern übergeht. Das zeugt oft von kreativem Burn Out. Dieser Zeitpunkt ist bei Whitney hoffentlich noch nicht erreicht. Das Album versprüht zumindest viel Spielfreude, überrascht mit wunderbaren Details und Finessen und zeigt eindeutig: Hier steht der Spaß am Musizieren im Vordergrund.

Deshalb haben sich Whitney, bei denen übrigens Drummer Max auch Lead-Sänger ist, auch nur die Songs ausgesucht, die ihnen sehr nah am Herzen liegen. Schade, dass es so kurze Titel waren – Candid ist nach einer halben Stunde schon wieder vorbei. Aber phantommäßig bleibt der Geruch nach Omas altem Sofa und das haptische Gefühl ein Fotoalbum mit Kindheitserinnerungen durchgeblättert zu haben trotzdem hängen.

Indie, Folk und Soul


Wer Bands wie Wilco, Cat Power und Fleet Foxes mag, wird Whitney eh schon kennen und lieben. Auch wenn die alten Helden wie die Stones, die Kinks und Motown-Bands eure Playlisten bestimmen, werdet ihr den smoothen Sound, irgendwo zwischen Indie, Folk und Soul gerne hören.

Und sogar die Bierzeltfreunde kommen nicht zu kurz, versteckt sich doch hinter Song Nummer Drei tatsächlich das gute alte "Take Me Home, Country Roads". Das Feature mit der sehr coolen Waxahatchee macht den Klopfer sogar noch zum Duett. Das darf dann auch mal cheesy werden. Wie gesagt: Bei Candid steht der Spaß im Vordergrund. Und jetzt alle: West Virginiiaaaaaa…  



Tracklist: Whitney - Candid


01 Bank Head (Kelela) 
02 A.M. AM (Damien Jurado) 
03 Take Me Home, Country Roads (John Denver) 
04 High On A Rocky Lodge (Moondog) 
05 Something Happen (Jack Arel) 
06 Strange Overtones (Brian Eno, David Byrne) 
07 Hammond Song (The Roches) 
08 Crying, Laughing, Loving, Lying (Labi Siffre) 
09 Rain (Sisters With Voices) 
10 Rainbows & Ridges (Blaze Foley)

Candid ist am 14. August bei Secretly Canadian erschienen.

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