Droht der Bildungsnotstand?

Droht der Bildungsnotstand?

Stefan Düll im Interview

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Bundesweit fehlt Lehrpersonal an Schulen und in Zukunft könnte sich die Situation noch weiter zuspitzen. Eine Einordnung von Stefan Düll.


Wer unterrichtet in Zukunft unsere Kinder?

Diese Frage werfen aktuelle Zahlen zur Situation an den Schulen auf: Es mangelt bundesweit an Lehrer*innen. In diesem Jahr sind in Deutschland 12.000 Stellen unbesetzt, heißt es von den Kultusministerien der Länder. Aber laut Deutschem Lehrerverband ist der Fachkräftemangel an den Schulen sogar noch viel schlimmer. 

Stefan Düll ist Schulleiter eines Gymnasiums und außerdem Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie die Lage aktuell tatsächlich aussieht und welche Lösungen er für diese Herausforderung in unserem Bildungssystem sieht. Außerdem erklärt er, welche Rolle Teilzeit bei dieser Problematik spielt und warum er es trotz all der Probleme gut heißt, dass Bildung Ländersache ist. Das komplette Gespräch kannst du hier anhören:
  • Stefan Düll im Interview
    Schulleiter & Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands
  • Grundschullehrerin Julia
    über den Lehrkraftmangel
  • Der Lehrkraftmangel
    egoFM Reflexikon


Von Bundesland zu Bundesland und auch je nach Schulart unterscheidet sich das Ausmaß des Lehrer*innenmangels.

In Bayern beispielsweise fehlt gerade vor allem an Grundschulen Personal, sagt Stefan Düll. Allgemein könnte der Mangel in Zukunft aber überall noch drastischer werden - bis 2035 könnten laut des Verbands Bildung und Erziehung 127.000 Lehrkräfte fehlen. Und das, obwohl wir noch nie so viele Lehrer*innen beschäftigt haben wie heute. Stefan Düll erklärt das so:

"Also die sogenannten Boomer gehen tatsächlich in den nächsten 10 Jahren in Pension oder in Rente. Die müssen ersetzt werden, das ist der eine Punkt. Aber der andere Punkt ist der, dass einfach insgesamt zu wenig nachkommen und die, die nachkommen, müssen Aufgaben erledigen, [...] die wir früher so nicht unbedingt hatten. Wenn ich den Ganztag ausbaue [...], dann habe ich einen erhöhten Bedarf an Stunden, wenn ich zusätzliche Fördermaßnahmen durch die Lehrer durchführen möchte, dann habe ich wieder einen zusätzlichen Bedarf." - Stefan Düll

Das heißt, Schulen müssen 2023 einen ganz anderen Stundenbedarf decken als noch vor 20 oder 30 Jahren. Er sagt ganz klar:

"Wir haben immer mehr Zusatzaufgaben, die mit Stunden abgedeckt werden müssen, und da nützt es auch nichts, wenn ich so viele Lehrer in Arbeit habe wie noch nie." - Stefan Düll


Kritik am Vorgehen von Bayern

Gerade war das Vorhaben von Bayern wieder groß in den Nachrichten für das kommende Schuljahr Lehrkräfte mit einer Zahlung von 3.000 Euro aus anderen Bundesländern abzuwerben. Die Kritik daran kann Stefan Düll gut verstehen:

"Eigentlich haben sich die Kultusminister mal darauf geeinigt, dass sie so etwas nicht tun. Und ich finde, das ist auch richtig so. Solche Abwerbemaßnahmen sind nicht wirklich das, womit ich dieses Problem beheben kann. Sie mögen publizistisch ganz interessant sein, aber sie lösen das Problem nicht und das hat was - a Gschmäckle, wie man so schön sagen würde." - Stefan Düll


Die Lösung sieht Stefan Düll unter anderem darin, Organisationsaufwand für Lehrer und Lehrerinnen zu minimieren.


"Was wir brauchen, ist, dass wir die Lehrer motivieren, dass wir ihnen zeigen, dass wir ihnen Arbeit abnehmen. Datenschutzaufgaben, Einsammeln von Geldern und solchen Klimbim." - Stefan Düll

Denn wenn die Rahmenbedingungen stimmen, entscheiden sich auch mehr Menschen dafür, den Beruf auszuüben und Lehrer*innen, die bereits länger in dem Beruf arbeiten, sind gewillter, Vollzeit zu arbeiten und den Job bis zur Rente auszuführen, sagt Stefan Düll.

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