Fünf wirklich kuriose Pflanzen

Fünf wirklich kuriose Pflanzen

Von der Boquila trifoliolata bis zur Zistrose

Von  Sophia Rauchhaus
Sehende Kletterplanzen, pyschedelische Kakteen, 2000 Jahre alte Wüstengewächse,... das sind fünf der wunderlichsten Pflanzen der Welt.


Boquila trifoliolata

Die Boquila trifoliolata hat kleine, helle, dreizackige Blätter - oder große, dunkle - runde oder lange, glatte oder gezackte. Die Wahrheit ist: es kommt drauf an. Und zwar auf die Umgebung. Die Boquila trifoliolata ist eine Kletterpflanze und betreibt Mimikry, und das so meisterhaft wie sonst keine Tier- oder Pflanzenart. Sie schützt sich vor hungrigen Pflanzenfressern, in dem sie sich ihrer Wirtspflanze in Farbe, Größe und Form der Blätter perfekt anpasst. Einer der langen Boquila-Äste kann sogar mehrere verschiedene Blattarten tragen je nachdem, an welcher Pflanze er sich gerade emporschlingt.


Diese ganz besondere Art der Anpassung ist Forscher*innen ein großes Rätsel: Woher weiß Boquila so genau, wie die Pflanze nebenan aussieht? Eine mögliche Erklärung ist eine Art des Gentransfers durch Berührungen oder Bakterien. Aber bei keiner anderen Pflanze hat sich bisher eine so gezielte und schnelle Anpassung beobachten lassen, die Beweislage ist dünn.

Seit letztem Jahr steht eine noch verrücktere Idee zur Debatte.

In einem – nicht unumstrittenen – Experiment war die Boquila sogar dazu in der Lage, die Blätter einer Plastikpflanze nachzuahmen, aber nur, wenn die nicht verdeckt waren. Daraus ergibt ich die abgefahrene Frage: Kann Boquila trifoliolata sehen? Grundsätzlich ist es möglich, das Pflanzen unter der Blattoberfläche Lichtrezeptoren haben und Schattenumrisse erkennen können. Aber so gezielt und empfindlich?

Das Boquila-Rätsel bleibt und bis es gelöst ist, können wir uns schonmal mit der Idee anfreunden, dass unsere Topfpflanzen uns anglotzen.

Peyote

New Mexiko im Sommer: 35 Grad und kein Tropfen Regen. Die Pflanzen dort sind perfekt an die Wüstenhitze angepasst, sie haben in den Wintermonaten Wasser eingelagert. Um dieses kostbare Wasser vor Pflanzenfressern zu schützen, haben verschiedene Arten unterschiedliche Strategien entwickelt:

Kakteen wehren sich mit spitzen Stacheln, Lithops-Sukkulenten tarnen sich als Kiesel und die Lophora Williamsii? Sieht vollkommen unscheinbar aus, ungetarnt und ungeschützt.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Sergio Perez Duarte (@mrgarden_gt)


Die Abwehr steckt innendrin: Dieser besondere Kaktus versetzt sein Wasser mit Meskalin, es schmeckt ekelhaft bitter und ist für Menschen wie Tiere ungenießbar. Indigene Völker Nordamerikas essen den Kaktus trotzdem, denn sein Saft ist ein natürliches Antibiotikum - und er wirkt stark psychedelisch.

Sie nutzen den Peyote, wie sie den Kaktus nennen, seit Jahrtausenden für spirituelle Rituale.

Rund um den Peyote-Kaktus hat sich eine eigene Religion entwickelt: Der Peyotismus verbindet den Schamanismus der Native Americans mit christlichen Elementen, im Zentrum steht die Einnahme des Peyote. Als die amerikanische Regierung das Psychedelikum verbietet, da klagt die Native American Church und erwirkt, dass nur ihren Anhänger*innen der Besitz und Genuss weiterhin erlaubt ist.

Doch auch Nicht-Religiöse sind hinter dem Peyote her, daher ist die Population zunehmend unter Druck. Aktivist*innen kämpfen deshalb dafür, dass der US-amerikanische Staat diesen einzigartigen Kaktus schützt - nicht nur vor durstigen Tieren, sondern genauso vor dem Menschen.
  • Boquila trifoliolata
  • Peyote
  • Riesenrafflesie
  • Welwitschie
  • Zistrose


Riesenrafflesie

Die Rafflesia Arnoldii, auch Riesenrafflesie, ist die größte Blume der Welt und in jeder Hinsicht unsympathisch. Sie ist als Parasit auf eine einzige Lianenart spezialisiert, pilzähnlich durchzieht ihr Geflecht die Liane meterlang. Die Riesenrafflesie hat kein eigenes Wurzelwerk und keine Blätter, sie betreibt selbst keine Photosynthese, sondern lässt sich komplett von der Wirtspflanze versorgen. Solche Parasitenpflanzen nennt man – und das ist der wissenschaftliche Fachbegriff – Vollschmarotzer.

Hat sich die Rafflesie vollgefressen, dann ist sie bereit für die Blüte. Aus dem schattigen, feucht-dunklen Regenwaldboden sprießt dann eine gewaltige Knospe, groß wie ein Volleyball. Sie muss noch einmal ein Dreivierteljahr wachsen, bis sich fünf fleischig-rote, dicke Blütenblätter auffalten. Die Blüte hat einen Durchmesser von einem Meter.


Der britische Kolonialist und Namensgeber der Rafflesie Dr. Joseph Arnold ist der erste Europäer, der die Blume vollständig beschreibt. Er ist verblüfft von ihren Ausmaßen und dem fürchterlichen Gestank:
"Had I been alone and had there been no witnesses, I should, I think, be fearful of mentioning the potent smell or extreme dimensions of this flower, so much does it exceed every flower I have seen or heard of."


Die Riesenrafflesie riecht kräftig nach verrottendem Rindfleisch, sie strahlt sogar Wärme aus wie ein Tierkadaver.

So lockt sie Aasfliegen an, die bei ihr aussichtslos nach Futter und einer Brutstelle für ihre Eier suchen, dabei befruchten sie die Rafflesie. Die seltsame Blüte hält nur wenige Tage, dann zerfällt sie zu dunklem Schleim.

Die Riesenrafflesie ist nicht schön und sicher nicht sympathisch. Aber sie ist ein verblüffendes Beispiel für die ungewöhnlichen Überlebensstrategien in der Natur und sie ist so sonderbar und ikonisch, dass sie Nationalblume Indonesiens ist.

Welwitschie

Auf Afrikaans heißt die Welwitschie tweeblaarkanniedood. Übersetzt heißt das in etwa Zwei-Blatt-kann-nicht-sterben. Damit ist über diese außergewöhnliche Pflanze fast alles gesagt.

Die Welwitschie hat nur ein einziges Blattpaar und die Blätter hören nie auf zu wachsen, sie werden meterlang. An ihren Enden trocknen sie in der Sonne der Namib-Wüste aus, so trägt die Welwitschie um sich einen großen Ring aus kringeligem, trockenem Blattmaterial und sitzt wie ein großer, verdorrter Oktopus auf dem Wüstenboden.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Adrian Davies (@adriandaviesimaging)


1862 schickt der österreichische Botaniker Friedrich Welwitsch ein Exemplar der Welwitschie an den Leiter der Royal Botanic Gardens in London, der sagt über die nie gekannte Pflanze:
"It is out of the question the most wonderful plant ever brought to this country, and one of the ugliest."


Dann noch die Sache mit der Unsterblichkeit: Welwitschien können sterben, sie tun es aber nur sehr widerwillig - Einzelne Exemplare sind 2000 Jahre alt.

Auch die Art der Welwitschie selbst ist uralt. Die ältesten Welwitschien-Fossilien schätzen Forschende auf über hundert Millionen Jahre. Die Welwitschie ist damit viele Millionen Jahre älter als der älteste Tyrannosaurus Rex und hat ihn auch um ein Vielfaches überlebt. Der Meteroriteneinschlag, der die Dinosaurier und viele andere Tier- und Pflanzenarten ausgerottet hat, konnte der Welwitschie nichts anhaben.

Die Bevölkerung Namibias schätzt die störrische Stärke und unbeirrbare Beständigkeit der Welwitschie so sehr, dass sie sie auf dem Nationalwappen trägt.

Zistrose

Manche Pflanzen mögen's heiß. Man nennt sie pyrophil, also Feuer liebend. Und die Zistrose ist ein echter Feuerteufel, sie hilft auch gerne mal nach und legt selbst Brände. Ihre Blätter sondern würzig duftende ätherische Öle ab, sie werden auch für medizinische Zwecke verwendet. Und wenn die heiße Mittelmeersonne mit über dreißig Grad auf die ölgetränkten Blätter brennt, dann können die auch mal spontan in Flammen aufgehen. 

Die Zistrose brennt dann komplett ab - und das ist evolutionär gewollt.

Denn wie ein Phönix sprießen aus der fruchtbaren Asche dann die neuen Zistrosenkeime. Die Pflanzenkonkurrenz ist praktischerweise abgebrannt.


Im Mittelmeerraum gibt es noch andere Pflanzen, die mit dem Feuer spielen, wenn auch nicht so mutwillig wie die Zistrose. Die Blätter des Diptam zum Beispiel sondern das hochentzündliche Isopren-Gas ab. An heißen Tagen entzündet sich manchmal die Luft und über dem Diptam züngeln kleine blaue Flämmchen. Den Blättern tut das nichts, der Diptam brennt, aber er verbrennt nicht.

Das kommt euch bekannt vor? Kann sein, zum Beispiel aus diesem Bibelvers…
"Dort erschien [Moses] der Engel des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Er schaute hin: Der Dornbusch brannte im Feuer, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt." (Exodus 3,1)

Design ❤ Agentur zwetschke