Juse Ju hat mit egoFM Max über das Bezahlsystem von Musik-Streamingdiensten gesprochen. Am Ende des Interviews hatte der Rapper vor allem einen Wunsch: Wechsel bitte von Spotify weg.
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21.10.2021
Juse Ju im Interview
Juse Ju zu Gast bei egoFM Max
Spotify und Co. nutzen das Pro-Rata-Bezahlsystem. Das heißt, die Einnahmen von Spotify landen bildlich gesprochen in einem großen Topf, und jede*r Künstler*in bekommt - je nachdem wie viele Streams er*sie generiert hat - einen Teil davon. Wenn Ed Sheeran also in einem Monat ein Prozent aller Streams auf der Welt macht, dann bekommt er auch ein Prozent von diesem Geld. Und da monatlich abgerechnet wird, bringen Songs, die in einem kurzen Zeitraum viel gestreamt werden, höhere Einnahmen als die, die genauso oft, aber über einen längeren Zeitraum hinweg angehört werden.
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Juse Ju zu Gast bei MaxDas komplette Interview zum Anhören
Juse Ju hält dieses Bezahlsystem für ein großes Umverteilungssystem - und zwar von unten nach oben.
Er selbst sagt, dass er davon nicht profitiert. Und das, obwohl er 120.000 monatliche Hörer*innen auf Spotify hat. Im September beispielsweise hat er ungefähr 500.000 Streams auf Spotify gemacht - das sind um die 1.500 Euro. Wenn davon die Kosten, die für das Produzieren von Musik anfallen, abgezogen werden, bleibt nicht viel übrig. Und so wie Juse Ju geht es vielen eigentlich erfolgreichen Künstler*innen, die nicht gerade Ed Sheeran, Taylor Swift oder Billie Eilish sind.
"Ich bekomme 1/3 Cent, wenn du meinen Song anhörst. Das heißt, wenn du meine Platte einmal durchhörst, krieg ich drei Cent. Ich würde mal sagen, für einen Kaugummi zahlt ihr schon 10 Cent. Das zeigt den Wert der Musik unter diesen Umständen und wir haben das einfach akzeptiert." - Juse Ju
Juse Ju führt das auf grundlegende Probleme zurück, die er im Pro-Rata-System sieht:
Spotify selbst hat einen großen Einfluss auf die Streaming-Zahlen
Durch Algorithmen und Playlisten bestimmt Spotify sehr stark mit, wer wie viele Streams bekommt. Wer zum Beispiel in der Modus Mio - Playlist auftaucht, der "wichtigsten Hip-Hop Playlist Deutschlands", wird ganz automatisch viel gestreamt - schließlich hat die Playlist über 1,6 Million Follower*innen. Dort landen aber immer wieder nur die gleichen Artists, sagt Juse Ju. Das sind ungleiche Start-Voraussetzungen.Der Gewinn ist zielgruppenabhängig
Es profitieren Künstler*innen, deren Zielgruppe junge Free User*innen sind, also User*innen, die nicht für eine Spotify Premium - Mitgliedschaft bezahlen. Juse Ju sagt, ungefähr 50 Prozent der User*innen nutzen Spotify kostenlos und 50 Prozent bezahlen monatlich. Und die User*innen, die monatlich ihren Beitrag zahlen, finanzieren die Free User*innen mit."Das kann man sich vorstellen wie bei einem Buffet, wo alle mitessen können. Da gibt es eine Schulklasse, die frisst die ganze Zeit total viel, aber bezahlt nichts. Und dann gibt's eine normale Reisegruppe an Erwachsenen, die kommt hin und darf dann für die Jugendlichen mit bezahlen, isst aber nur einen kleinen Teller Salat." - Juse Ju
Anstatt, dass die Mitgliedsbeiträge von Juse Ju Hörer*innen also bei Juse Ju landen, werden diese Beiträge auch dafür genutzt, Free User*innen - die beispielsweise nur Capital Bra hören - mitzufinanzieren.
Die Länge der Tracks ist entscheidend
Ob jemand in den 20 Minuten Bahnfahrt zur Arbeit nur Klassik oder nur Rap hört, macht einen Unterschied. Klassische Stücke sind tendenziell sehr viel länger als Rap-Tracks. In 20 Minuten können also zum Beispiel sieben Rap-Songs oder zwei klassische Stücke gestreamt werden - wobei mehr Streams eben mehr Geld bedeuten. Das hat bereits Einfluss auf die Länge von Songs: Durchschnittlich waren die Top Ten-Hits in diesem Jahr 30 Sekunden kürzer als im Jahr davor. Dazu kommt: Damit ein einzelner Song von Spotify als Stream gewertet wird, muss er nur 30 Sekunden lang laufen - ein durchdachter Aufbau ist also so viel wert, wie wenn der Song in den ersten 30 Sekunden richtig knallt und immer wieder von vorne und vielleicht nie bis zum Ende angehört wird.Vielen User*innen fehlt es an Zeit
Wenn Juse Ju also ein neues Album rausbringt, hören seine Fans seine alten Alben weniger - seine Streams bleiben also im Schnitt gleich, aber es kommen hohe Ausgaben für die Produktion des neuen Albums dazu."Wir sind an einem Punkt, wo ich für mich sagen kann: Für mich ist es finanziell besser, keine neue Musik rauszubringen. [...] Meine Streams bleiben konstant, ob ich ein Album rausbringe oder nicht. Nur ein Album kostet halt ein Schweinegeld zu machen. Das heißt, wenn ich keins mache, bleiben meine Spotify-Einnahmen fast gleich hoch, wie wenn ich eins mache. Also sind wir in der völlig absurden Situation, dass es für mich finanziell besser ist, keine neue Musik rauszubringen." - Juse Ju
Und: Auch gekaufte Streams werden mitfinanziert
Trotzdem ist der Rapper aber natürlich nicht dafür, Streaming abzuschaffen und komplett zurück zu CDs zu gehen. Aber er will, dass das Bezahlsystem hinter Streaming-Anbietern endlich fairer wird.
Juse Ju ist für ein User Centric Payment System (UCPS)
Bei diesem System landen die Mitgliedschaftsgebühren einer Person auch nur bei den Musiker*innen, die diese Person angehört hat. Wenn wir also an das Buffet-Beispiel anknüpfen, ist UCPS ein normaler Restaurant-Besuch, bei dem jede*r das bezahlt, was er*sie eben auch gegessen hat. Das heißt, es würde nicht insgesamt mehr Geld von Spotify ausgeschüttet werden, aber die Verteilung würde sich ändern und wäre vermutlich wesentlich fairer.Spotify und Co. bleiben aber aktuell bei ihrem Pro-Rata-System
Dass liegt zu einem großen Teil vermutlich daran, dass die Major Label davon profitieren und großes Interesse daran haben, dass aktuelle System beizubehalten. Wenn Sony, Warner und Universal beispielsweise sagen würden, sie wollen das System ändern, hätten die Streamingdienste wohl keine Wahl - dem ist aber nicht so. Sicherlich spielt es aber auch eine Rolle, dass ein Systemwechsel mit Kosten und Aufwand verbunden wäre.Es gibt aber noch einige mehr Theorien, warum Spotify daran festhält, die Künstler*innen pro Stream zu bezahlen.
Eine davon ist folgende: Theoretisch verdient Spotify am meisten mit Nutzer*innen, die monatlich ihren Beitrag zahlen, aber wenig Streams generieren. Diese User*innen hören dann zum Beispiel Podcasts, denn Podcasts werden im Vergleich zu Musik einmalig und nicht nach Streams bezahlt. "Das heißt, desto weniger du Musik streamst, desto besser für Spotify. Das ist eine Theorie von jemandem [...] und es klingt logisch. Aber da muss man immer aufpassen - also eine Logik mag einleuchtend klingen, das heißt aber nicht, dass sie wahr ist." - Juse Ju
Und was sollen Fans jetzt machen?
Klar, am besten CDs, Platten, T-Shirts und Tickets kaufen - aber auch wenn du deine Musik wirklich am liebsten nur streamst, gibt es Unterschiede:"Wenn du zu einem anderen Anbieter gehst, zahlst du dem Künstler, den du hörst, automatisch das Doppelte. Automatisch - dich kostet es aber dasselbe. Das ist so wie wenn du zwei Plattenläden nebeneinander hättest, in beiden kostet die CD 10 Euro, aber beim einen gehen acht Euro an den Künstler und beim anderen nur vier. [...] Für dich kostet es aber dasselbe. Du musst dich nur entscheiden, in welchen Laden du gehst." - Juse Ju
Juse Ju sagt, dass Spotify und YouTube Music den Künstler*innen am wenigsten bezahlen. Allerdings generiert der Marktführer Spotify am meisten Streams - bei Juse Ju sind es um die 80 Prozent. Sein Wunsch ist also relativ klar:
"Wenn ihr insgesamt eher Independent-Künstler hört [...] dann wechselt bitte von Spotify weg. Und nicht zu YouTube Music." - Juse Ju
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