Auf die Schienen, fertig, los!

Auf die Schienen, fertig, los!

Bahnexperte Prof. Dr. Christian Böttger im Interview

Es gibt einen Haufen Probleme mit der Bahn in Deutschland. Was getan werden könnte und warum sich das auch lohnen kann, darüber hat egoFM Lola mit Bahnexperte und Verkehrsökonom Prof. Dr. Christian Böttger gesprochen.

Mehr Bahn fahren - ist das denn so easy?

Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, dann muss eine Verkehrswende her - statt Fliegen und Autofahren muss öfter auf die Bahn umgestiegen werden. Jetzt gibt es ja aktuell diverse Versuche, die Menschen dazu zu bewegen, mehr Bahn zu fahren. Dank 9-Euro-Ticket ist es aktuell nicht nur sicherer, sondern auch günstiger als zum Beispiel Autofahren. Aber wie steht es denn eigentlich um das Bahnnetz in Deutschland? Darüber haben wir mit Prof. Dr. Christian Böttger gesprochen. Er ist Verkehrsökonom an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Bahnexperte.
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    Bahnexperte Prof. Dr. Christian Böttger im Interview


Europas größtes Schienennetz hat Kapazitätsprobleme

Im internationalen Vergleich ist das deutsche Bahnnetz eigentlich recht gut, da es flächenmäßig breit ausgebaut ist. Allerdings sagt Prof. Dr. Christian Böttger auch, dass das Netz bereits an die letzten Jahre und die Nachfrage angepasst ist, sodass es eigentlich keine Kapazität mehr gibt, weiter zu wachsen. Jedoch verändert sich die Art und Weise wie wir unser Bahnnetz nutzen über die Jahrzehnte immer weiter. 

"Wir haben das Problem, dass diese Veränderungen nicht gleichmäßig im Netz passiert, sondern dass eigentlich die großen Knoten und die Hauptstrecken immer stärker belastet werden, während die Nachfrage in der Fläche eher zurückgeht oder stagniert." -  Prof. Dr. Christian Böttger

Dadurch, dass die finanziellen Mittel für den Neu- und Ausbau des Bahnnetzes in den letzten zwanzig Jahren stark gekürzt wurden, konnte es für den heutigen Bedarf laut Prof. Dr. Christian Böttger nicht entsprechend umgebaut werden.

"Das führt jetzt dazu, dass das Netz überlastet ist und dass man jetzt eben feststellt, dass man nicht mehr Verkehr durch das Netz durchbekommt und das man vielleicht sagt, ohne massiven Ausbau können wir eigentlich nicht mehr Züge fahren im Netz." - Prof. Dr. Christian Böttger


Verbesserung braucht Zeit

Ein ähnliches Problem sieht Prof. Dr. Christian Böttger auch an anderen Stellen der Infrastruktur (zum Beispiel bei den Autobahnen oder Wasserstraßen) in Deutschland. Er sieht den Grund dafür vor allem bei der Politik. Oftmals gehen Politiker*innen eher Projekte an, die eine schnelle aber kurzfristige Lösung versprechen, sodass sie ihr Vorhaben zum Beispiel noch vor der nächsten Wahlperiode umsetzen können. Langfristige Projekte, deren Wirkung erst sehr viel später deutlich wird, werden häufig vernachlässigt und nicht so hoch priorisiert. 

Endlich mal entspannt und pünktlich Bahnfahren - wie könnte das gehen?

Denn damit das Bahnfahren sowohl für einzelne Personen als auch für den Güterverkehr eine echte Alternative zu Auto, Flugzeug und Co. sein kann, muss sich etwas ändern.

"Kurzfristig müssen wir mit dem vorhandenen Netz leben. [...] Man muss natürlich die großen neuen Strecken, die wir brauchen, angehen - dafür wird man auch mehr Geld brauchen." - Prof. Dr. Christian Böttger

Doch Geld sei nicht das Einzige, was aktuell für einen Aus- und Umbau des Bahnnetzes fehlt. Laut Prof. Dr. Christian Böttger mangelt es auch einfach an Menschen, die den Bau umsetzen, zum Beispiel Planer*innen. Deshalb müssen zunächst auch noch mehr Bahningenieur*innen ausgebildet werden, was wiederum Zeit in Anspruch nimmt.

"Als zweites plädiere ich persönlich dafür, dass man sich das ganze Regelwerk noch mal anschaut. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren viele neue Regeln verabschiedet, aus verschiedenen Politikbereichen, die Bahnfahren eben immer komplexer, immer teurer und immer langsamer machen. Und ich glaube, dass es da also noch einiges an Potenzial gibt, mit dem man also die Sicherheit nicht gefährdet, aber eben die Kapazität des Netzes noch etwas ausweiten kann." - Prof. Dr. Christian Böttger

Als Drittes sieht Prof. Dr. Christian Böttger einen Lösungsansatz darin, Verkehr von der Straße und der Luft auf die Bahn zu verlagern. Der Güterverkehr ist aktuell beispielsweise noch größtenteils auf der Straße unterwegs (90 Prozent). Allerdings kann das auch nicht von heute auf morgen geschehen, da die Schienen eben nur begrenzt Kapazitäten haben. Doch auch wenn das nicht nur dem Ausbau des Bahnnetzes zu Gute kommen würde und außerdem durch die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schienen sehr viel CO2-Emmision eingespart werden könnte, regt sich Widerstand. Ähnlich wie bei LKWs, die durch kleine Dörfer rasen, will eben auch niemand ständig laute Güterzüge hinterm Haus rattern haben. Außerdem stehen hier Güterverkehr und Personenverkehr oft in Konkurrenz um die Kapazitäten des Bahnnetzes - und gerade die Politik schlägt sich zumeist auf die Seite des Personenverkehrs.

"Also wir haben zum einen eben sozusagen bei der Nutzung der knappen Trassen die Gefahr, dass der Güterverkehr ins Hintertreffen gerät gegen den Personenverkehr. Und zum zweiten - bei neuen Strecken - dass es dort also gewaltigen Widerstand bei den jeweils betroffenen Bürgern gibt." - Prof. Dr. Christian Böttger

Kannst du als einzelne Person auch etwas tun, damit das Bahnnetz besser wird?

Ja, durchaus, meint Prof. Dr. Christian Böttger. Viele Autofahrten werden eigentlich nur aus Gewohnheit gemacht - obwohl es eine gute Alternative mit der Bahn gäbe.

"Wenn es also nur gelingen würde, ich sag mal fünf Prozent der Autofahrten auf die Schiene zu verlagern, dann wäre das schon 50 Prozent Wachstum für die Schiene. Also das würde die Schiene fast schon an den Rand des Zusammenbruches bringen."  - Prof. Dr. Christian Böttger

...aber auch dafür Sorgen, dass in den Um- und Ausbau wieder mehr Geld gesteckt wird.

Auch wenn es vielleicht bequemer und schneller ist Auto zufahren, könntest du dir überlegen, ob du die gleiche Strecke nicht auch auf den Schienen zurücklegen könntest. Oder ob du sie überhaupt zurücklegen musst.

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