Disney+ sperrt Dumbo, Aristocats & Co. für Kinder

Disney+ sperrt Dumbo, Aristocats & Co. für Kinder

Meinung: Das ist gut so

Von  Anna Taylor
Disney+ entfernt Filme aus dem Kinderprofil, weil diese mit rassistischen Klischees angereichert sind. Und das ist gut so, sagt unsere Autorin.




Als Elternteil will man in der Regel nur das Allerbeste fürs Kind, zum Beispiel auch die allerbeste Bildung. Allerdings scheint dieser Wunsch bei manchen einen blinden Fleck zu haben: Rassismusaufklärung. Und so kommt es, dass man aus Furcht, man könne das Kind irgendwie mit altersungerechten Informationen verstören, dieses wichtige Thema außen vor lässt. So kann es allerdings passieren, dass sich rassistische Denkmuster (meist ungewollt) weitervererben. Alte Kinderfilme oder -literatur leisten dann ihr Übriges. 

An der Stelle bemüht sich Disney nun, vorzubeugen. Bereits seit einiger Zeit sind auf der hauseigenen Streaming-Plattform Disney+ Filme wie Peter Pan, Susi und StrolchAristocats, Dumbo und dem Dschungelbuch mit zwölfsekündigen Disclaimern versehen:
"This program includes negative depictions and/or mistreatment of people or cultures. These stereotypes were wrong then and are wrong now. Rather than remove this content, we want to acknowledge its harmful impact, learn from it and spark conversation to create a more inclusive future together."
Also: Es wird gewarnt, dass das folgende Werk negative Darstellungen und/oder eine nicht korrekte Behandlung von Menschen oder Kulturen beinhaltet. Diese Stereotype wären damals falsch gewesen und seien es noch heute. Weil Disney aber der Meinung ist, dass Reflektieren besser als Zensieren ist, wird der Inhalt nicht gelöscht. Ein Diskurs soll entstehen, um Inklusion in Zukunft zu fördern.

Doch damit ist nicht genug getan. Nun hat Disney+ unter anderem die oben genannten Filme (Peter Pan, Aristocats, Dumbo, Susi und Strolch und Das Dschungelbuch) gänzlich aus den Kinderprofilen entfernt.

Aber was ist an diesen Filmen rassistisch?

Wahrscheinlich ist dir das als Kind nicht aufgefallen, aber in alten Disney-Filmen werden recht viele rassistische Klischees und Stereotypen verbreitet, die sich - auch wenn unbewusst aufgenommen - festsetzen. Ob die Darstellung von Native Americans bei Peter Pan, die Siamkatzen bei Susi und Strolch oder die Krähen in Dumbo - in diesem Video von Screen Rant werden ein paar Beispiele von Rassismus in Disney-Filmen erläutert (Triggerwarnung!):




Ich, als Weiße Frau, die selbst ein Kind hat, finde das gut

Immerhin wird hier tatsächlich nichts weggenommen, du kannst deine Mistgabel also gleich wieder wegstecken, Karen. Als erwachsener Mensch, der fähig sein sollte, (gerade dank des Disclaimers) den Inhalt der Filme reflektiert und kritisch zu betrachten, kannst du dir weiterhin Dumbo und Peter Pan auf Disney+ in Endlosschleife reinziehen. Doch gerade Kinder, die in der Hinsicht oft noch nicht aufgeklärt sind, sollen davor bewahrt werden, reproduziertem Rassismus ausgesetzt zu sein und diesen zu verinnerlichen. Wenn du das nicht gleich unterschreiben würdest, führe ich das im Folgenden mal eben aus...

Wie viele andere Weiße würde ich von mir behaupten, dass ich absolut nicht rassistisch bin und Rassismus bis aufs Tiefste verachte - natürlich.

Doch Rassismus beinhaltet nicht nur direktes Beschimpfen oder absichtliches Diskriminieren von BIPOC. Rassismus wurde meist schon in der Kindheit internalisiert, also verinnerlicht, und kann damit (vielleicht sogar unbewusst) reproduziert worden sein - bis ins Erwachsenenalter.

Doch dazu ein kleiner Exkurs: Seit einiger Zeit folge ich auf Instagram dem Account @wasihrnichtseht (TW: rassistische Äußerungen). Dort erzählen Betroffene von ihren Erfahrungen mit Rassismus. Was dabei deutlich wird: In einigen Fällen haben die Täter*innen "es gar nicht so gemeint" oder "doch nur ein Kompliment" machen wollen. Oder waren stumme Beistehende und schlimmstenfalls sogar Mitlachende, wenn ein Mensch rassistische Witze vom Stapel gelassen hat. Dabei handelt es sich um Alltagsrassismus.
An einen Beitrag muss ich seither ständig denken: Es ging um eine rassistische Aussage von Mitschüler*innen in der Grundschule. Ein rassistisches Klischee, das einfach auch überhaupt nicht stimmt und nur mal eben so daher gesagt wurde. Die betroffene Person schreibt: "Heute erinnert sich niemand mehr an diese Situation", sie allerdings müsse noch regelmäßig schmerzlich daran denken. Fakt ist: Selbst zu meiner Schulzeit (dieses Jahr habe ich vor zehn Jahren erst damit abgeschlossen) war die Reproduktion rassistischer Stereotype salonfähig.
 
Und ich kann mir auch vorstellen, wie sowas passieren konnte. Retrospektiv kann ich mich an viele Momente erinnern, in denen Erwachsene rassistische Aussagen und vermeintliche Witze gemacht haben. Hinzu kamen dann noch Kinderfilmchen, die ähnlich takt-, nein: geschmacklos rassistische Stereotype karikiert haben. Dadurch, dass einem Kind der Ursprung des Rassismus, die Dimension und vor allem der Schmerz der Betroffenen nicht bewusst sind, wurden solche rassistischen Witze verharmlost und persönlich nicht geahndet.
Während ich heute bei rassistischen Äußerungen aufschreie, kann ich mich leider nicht erinnern, damals Lehrer*innen oder dem Onkel am Weihnachtstisch Kontra gegeben zu haben. Es schmerzt natürlich, das zu erkennen, sofern man ein guter Mensch sein will. Aber mit ganz sicherer Sicherheit schmerzt es nicht ansatzweise so sehr, wie es Betroffene schmerzen muss.

Hier kommt das Stichwort "White Fragility" ins Spiel.

White Fragility, also Weiße Zerbrechlichkeit bedeutet, dass Weiße auf Rassismuskritik oft ziemlich patzig reagieren. Empörte Beschwichtigungen wie "ich wollte doch gar nicht", "war doch überhaupt nicht so gemeint", "oh uppsi, ABER" und "also das finde ich jetzt aber rassistisch MIR gegenüber" (kleine Anmerkung: Rassismus gegen Weiße gibt es nicht, google's wenn du's mir nicht glaubst) wären ein paar Beispielreaktionen, die unter den Begriff fallen. Und auch wenn die Leute jetzt rumheulen, dass sie zum Beispiel Z-Soße oder M-Kopf nicht mehr aussprechen oder sich keine Dreadlocks machen sollen (Stichwort "kulturelle Aneignung") oder eben beleidigt zu sein, dass Disney+ "sich anmaßt", bestimmte Filme mit einem Disclaimer zu versehen oder aus Kinderprofilen zu entfernen - all das wird von dieser White Fragility geleitet.

Die Privilegien, die weiße Normmenschen ihr Leben lang erfahren haben, sind einigen zu Kopf gestiegen.

Und werden dementsprechend als "gUtEs ReChT" angesehen. Dem steht aber ein viel stärkeres Recht gegenüber: Die Würde eines Menschen ist unantastbar. Und wenn Betroffene sagen, dass sie etwas verletzt, steht es Nicht-Betroffenen nicht zu, dies abzusprechen oder gar zum eigenen Problem zu machen ("DaS NiMmT MiR mEiNe FrEiHeiT!"). Wenn Betroffene sagen: "Das verletzt mich", gibt es da nichts gegen zu argumentieren.
Damit dieses Syndrom nicht weiter befeuert wird ist es wichtig, ehrlich mit den Jüngsten zu sein und stringent aufzuklären.

Meiner Meinung nach muss man Kinder nicht vor ernsten Themen beschützen.

Erstrecht nicht, wenn sich dieser Schutz negativ auf andere auswirkt. Denn ich denke, dass man auch mit Kindern über ernste Themen wie Rassismus reden kann - natürlich muss man sich Gedanken darum machen, wie man das am besten rüberbringt. Aber das ganz auszuklammern halte ich für falsch.
Mittlerweile gibt es auch schon einiges an Hilfsmaterial, das zum Beispiel in Form von Kinderbüchern über Rassismus, alternative Familienkonzepte, Transgender oder Menschen mit Be_Hinderung aufklärt (ganz unten habe ich unseren Beitrag dazu verlinkt).

Ob ich jetzt alle alten Filme zensieren würde?

Puh. Ich denke, unsere Fehler einfach zu löschen ist vielleicht nicht die beste Möglichkeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Disclaimer am Anfang sind schon mal eine gute Methode, aber wie wäre es, diese auch vor kritische Stellen zu setzen, damit genau erklärt wird, was an den Szenen problematisch ist. Ob das ein bisschen den Spaß am Werk zerstört? Bestimmt. Aber frag mal BIPOC wie viel Spaß sie bei so Filmchen haben, wenn unreflektiert rassistische Klischees vermittelt werden.

Wie wär's mit Remakes!

Naja und wenn Disney ernsthaft etwas daran liegt, sich aktiv am Kampf gegen Rassismus zu beteiligen, dann spricht doch eigentlich auch nichts gegen Remakes. Klar, klar, klar die sind eher verpönt, doch wenn sie dazu dienen, eine schöne Geschichte zu erzählen ohne dass dabei jemand verletzt wird, wäre das doch eine gute Sache. Ich hätte auf jeden Fall Lust auf Werke, die frei von rassistischen Elementen sind - um die dann auch guten Gewissens meinem Sprössling zu zeigen und ein bisschen meiner Kindheit zu teilen.



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Das alles war die Meinung unserer Autorin. Natürlich würden wir auch deine hören: Schick uns gerne eine Sprachnachricht via WhatsApp an die 089 360 550 460.

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