Die Autorin dieses Textes findet Berlin hoffnungslos überbewertet. Gentrifizierung, Druck und Arroganz sind da ein paar Gründe.
Hass...
...ist ein sehr starkes Wort und eigentlich will ich es ungern benutzen. Denn in Wahrheit ist mir Berlin einfach nur unglaublich egal. Dementsprechend finde ich es aber auch völlig übertrieben, als was diese Stadt so häufig dargestellt wird. Stadt der Freiheit. Stadt der Träumer*innen. Eine Stadt, in der sich Kunst und Kultur perfekt entwickeln kann. Das ist in meinen Augen alles totaler Quatsch. Und ja, das steuert meine Gleichgültigkeit vielleicht in ein dezent negatives Gefühlsgefilde.Trotzdem will ich nicht grundlos haten, es folgen also ein paar Punkte, die ich mir als Argument meines Berliner Missmuts heranziehe... und nein: Die Gründe, dass Berlin an der ein oder anderen Ecke ganz eigentümlich riecht und alles voll mit Graffiti ist, zählen nicht zu den Gründen!
Die Menschen
Sollte jemand es Berlin zu Gute heißen, dass es sehr viele Menschen gibt, die fremde Menschen einfach gerne mal ansprechen, schreie ich! Persönlich - natürlich - finde ich ist das die schlimmste Angewohnheit, die man überhaupt haben kann. Zugegebenermaßen bin ich vielleicht auch eher überdurchschnittlich nicht an sozialen Kontakten mit fremden Menschen interessiert, also will ich das auf diesem Punkt gar nicht weiter rumreiten. Dennoch muss ich noch was zu "den Menschen" in Berlin sagen. Ich setze das daher in Anführungsstriche, weil das eben gerne so verallgemeinert gesagt wird: "Die Menschen" in Berlin sind total flippig. "Die Menschen" in Berlin sind total vielfältig. Also ich denke ja nicht. Natürlich: Es gibt sehr, sehr viele Menschen in Berlin, die ihre persönlichen Freiheiten ausleben und dementsprechend mit einer gewissen Fuck-This-Shit-Einstellung stil- und charaktertechnisch irgendwie eine Inspiration sind. Aber diese als Deckblatt für alle Berliner*innen zu nehmen, ist doch ein bisschen übertrieben. Wenn ich nach Berlin gehe, sehe ich mittlerweile nämlich viel mehr: Irgendwelche Start Up-Geschaftler*innen oder Hampelmenschen, die in fancy Social Media-Agenturen arbeiten (die irgendwie auch alle gleich aussehen, aber halt langweilig, weil piekfein). Und die sehen andere Menschen auch nur noch als social Kontakt, der ihnen ja vielleicht irgendwie was bringen könnte. Das ist total absurd, finde ich. Denn: Leute schimpfen, München wäre sehr oberflächlich und nur aufs Socializen und Was-Machst-Du-So-Gelaber aus - dabei empfinde ich das in Berlin genauso. Wenn nicht sogar viel stärker.Die Gentrifizierung
Oft habe ich das Gefühl, dass die Leute, die Berlin so maßlos feiern, seit ein paar Jahren gar nicht mehr selbst da waren. An jeder Ecke steht jetzt irgendeine Bar, die tagsüber schon geöffnet hat und überteuerte Fruchtsäfte auf Grünkohlbasis verkauft. Oder die 60. Filiale eines Klamottenladens, der sich damals durch das Aufbereiten von Second Hand-Sachen von anderen Fast Fashion-Unternehmen unterschieden hat, während mittlerweile der Unterschied klitzeklein bis Nullkommanix ist. Die exquisiten Burgerläden waren vielleicht mal extraordinär - gibt es aber jetzt auch sonst überall. Und ja, wirklich: ü-ber-all.Alle wollen nach Berlin? Na herzlichen Glückwunsch, das haben sie auch gemacht, weswegen jetzt die ach so tollen Mieten auch überhaupt gar nicht mehr so mir nichts dir nichts bezahlbar sind und Wohnung ähnlich leicht zu finden sind wie eine romantisch duftende öffentliche Toilette in der Großstadt. Wer kann sich Berlin denn also heute eigentlich noch leisten? Die vielen Künstler*innen von denen immer alle reden auf jeden Fall weniger. Eher die ganzen Agenturfritz*is, die ich oben schon mal angesprochen habe, wa.
Die vermeintliche Leichtigkeit
Aus der Gentrifizierung und diesen nach Socializing süchtigen Agenturmenschen ergibt sich - man muss die Rechnung nur grob überschlagen - das Gegenteil von Leichtigkeit. Es ist nicht leicht (gerade nicht als "snobigge Münchnerin") ein lockeres Gespräch zu führen. Es ist nicht leicht, in Berlin eine Wohnung zu finden. Und es ist nicht leicht, in Berlin wirklich Fuß zu fassen. Gerade das wird in meinen Augen viel zu oft unter den Teppich gekehrt.Okay... vielleicht kommt man in Berlin leichter an Drogen - den Punkt gebe ich der Stadt.
Die Größe
Ehrlich gesagt ist mir Berlin auch schlichtweg zu groß. Als N00b habe ich geschätzt mehr Fahrtzeit in den Öffentlichen verbracht als mit sonst was. Natürlich sagen die Berliner*innen, dass man nur in (s)einem Kiez bleiben soll. Aber die sind ja auch schon wahnsinnig groß für eine Person, die selbst in München eigentlich nur in allergrößten Ausnahmefällen das eigene Viertel verlässt. Ich fühle mich ganz ehrlich einfach sehr überfordert und verloren in dieser großen, großen Stadt.Der Ausdruck "DIT IS BERLIN!!!!"
Ich denke am allerschlimmsten finde ich tatsächlich diesen Ausdruck. Dieses "DAS ist..." ist meiner Meinung nach ein ganz klares Zeichen für jemanden oder etwas mit einer hoffnungslos übertriebenen Selbstwahrnehmung. So ziemlich alles, was vor dem Ausdruck passiert, könnte so ziemlich überall anders auch passieren. Ob New York, Barcelona oder Shanghai - ist doch einfach Quatsch, ein paar abgefahrene Zwischenfälle oder Paradiesvögel als etwas Einzigartiges an sich zu reißen. Twitter ist voll mit so merkwürdig vergleichbaren Situationen unter dem Hashtag #DitIsBerlin und ich finde das ziemlich bezeichnend dafür, was mich wirklich an diesem ganzen Berlin-Hype stört: Dass sich viele Lover*innen der Stadt anderen gegenüber damit besser machen wollen, eine ganz gewisse Einzigartigkeit an sich zu reißen, die woanders auch recht gewöhnlich ist.Weil übrigens: In Fällen, in denen es um mit Glitzer gepuderte Menschen mit Cape, Christbaumkugelohrringe und gefülltem Weißweinglas in den Öffis geht, könnte dit auch ich sein.
Um aber eine Sache ganz klar zu sagen...
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