Meinung: Warum Berlin ziemlich großartig ist

Meinung: Warum Berlin ziemlich großartig ist

Ein kleiner Liebesbrief an Berlin

Von  Anne Walzog
Überbewertet, stinkig, dreckig, Hipsterhochburg, Land der Start-Up-Yuppies: Berlin hat sich schon so einige fiese Sachen anhören müssen - völlig zu Unrecht, wie ich finde.

egoFM goes Berlin...

Vor ein paar Wochen stand es endlich fest - wir beschäftigen uns eine Woche lang mit Berlin. Während meine Augen anfingen zu leuchten, ich mich gedanklich schon weggebeamt hatte und an der Spree ein kühles Getränk schlürfte, wurde ich aus diesem Tagtraum unsanft mit ein paar dunklen Blicken geweckt:

"Ich hasse Berlin."

Tja, es gibt sie doch überall - auch im egoTeam - die leidenschaftlichen Berlin-Hasser*innen. Aber das kann ich nicht so recht auf mir sitzen lassen und möchte all diesen lieben Menschen jetzt hier noch einmal unter die Nase reiben, wie toll dieses Fleckchen Erde doch ist.

Zuerst aber meine pseudowissenschaftliche Theorie, warum ich glaube, dass manche Menschen Berlin nicht mögen:


Was mir bisher immer aufgefallen ist, wenn ich auf Leute treffe, die Berlin nicht so pralle finden - die finden auch andere Städte, die ich mag, meist doof. Erfahrungsgemäß gibt es so (stark verallgemeinert) zwei Großsstadttypen (Dorf und Kleinstadt sind eine ganz andere Kategorie - Dorfliebe ist überall): Die einen mögen charakteristische Straßenzüge, Streetart, Unvollkommenheit und den Charme des vermeintlich "Schmuddeligen". Die anderen stehen mehr auf picobello Asphalt, perfekte Parkanlagen und saubere Häuserfronten. Und genau wie es Menschen gibt, die Berlin nicht leiden können, kann ich diesen Städten, die im Alltag wie eine einzige riesengroße Hotelanlage wirken, überhaupt nichts abgewinnen. Solltest du zu Typ zwei gehören, ist das ganz klar eine Frage der Ästhetik und im Prinzip liefere ich dir hier nur noch mehr Gründe, Berlin nicht zu mögen. Passt du aber nicht in Kategorie Hotelanlagen-Lover*in, solltest du der Hauptstadt vielleicht noch einmal eine Chance geben, denn...

Ringbahn!

Wie toll ist es bitte, dass da eine S-Bahn um die ganze Stadt fährt?! Mal davon abgesehen, dass es die Orientierung um einiges leichter macht (irgendwann kennst du alle Stationen in- und auswendig). Stell dir vor, du pennst nach einem feucht-fröhlichen Abend in der S-Bahn ein: Statt an der Endstation rausgekickt zu werden, kannst du mit der S42/S41 einfach noch eine (oder mehrere) Runden schlummern und beim nächsten Mal aussteigen. Generell ist sowohl die SBahn als auch die BVG zwar ständig zu spät und nicht immer im besten Schuss - dafür wird Livemusik, Umzüge, Sporteinlagen und der ein oder andere Snack in den Fahrgeschäften - äh, Abteilen - geduldet. Und du kommst eigentlich immer und zu jeder Uhrzeit überall hin. Wer auch immer in Berlin noch Auto oder regelmäßig Taxi fährt, hat was falsch gemacht...

Spätis!

Okay, Spätis gibt’s zum Glück auch in vielen anderen Städten. Aber während man in München erst einen halben Marathon hinter sich bringen muss, um noch ein Wegbier für das Konzert zu bekommen, hast du in Berlin immer einen Späti, der nur einen Steinwurf entfernt liegt. Und da man sich als Stammkund*in dann ja doch öfter sieht, entwickelt man doch eine gewisse Freundschaft und Zuneigung zu seinem persönlichen Späti(s) und den Besitzer*innen. Dann wird der Spätimann/die Spätidame schnell zur Vertrauensperson, die dir in so ziemlich allen Lebenslagen weiterhelfen kann. Apropos nette Späti-Leute...

Menschen!

Auch wenn über die Zugezogenen viel geschimpft wird und Ur-Berliner*innen nicht so häufig vorkommen, wie man das vielleicht in Berlin erwartet - die Menschen sind letztlich das, was Berlin ausmacht. Und ich kenn natürlich nicht alle 3,6 Millionen, aber die, die ich kennenlernen durfte, waren bisher meist extrem freundlich, interessiert und sehr gesprächig. Und ehrlich. Sowieso das Beste, wenn jemand nicht um den heißen Brei herum redet, sondern dir nonchalant ins Gesicht sagt, ob er*sie dich mag oder nicht. Direktheit heißt das Stichwort!

Dialekt

Zusammen mit dem Norddeutschen einfach der Beste und im Gegensatz zum Bayrisch auch ziemlich easy zu verstehen. 

Leichtigkeit

In Berlin ist den meisten Menschen erst mal ziemlich egal, was du machst, wer du bist und wie du rumrennst. Und das bringt eine wunderbare Leichtigkeit mit sich. Klar, es geht jetzt nicht darum, irgendwo Dinge zu klauen, zu randalieren oder irgendwie anders deine Mitmenschen zu terrorisieren. Das meine ich natürlich nicht. Es fängt viel mehr bei deinem Erscheinungsbild an, geht über Hobbys bis hin zu Verschenke-Boxen. Letzteres sorgte teilweise für meine halbe WG-Einrichtung. Und dann schlussendlich auch dafür, dass ich mit nicht allzu viel Gerassel nach München umziehen konnte. Und bevor jetzt wieder diese "man stellt seinen (Sperr)müll nicht einfach auf die Straße"-Vorwürfe kommen: Warum nicht? Vielleicht brauchen es deine Nachbar*innen? Einfach geschützt an einer gut zugänglichen Ecke hinstellen und wenn es nach ein paar Tagen noch da ist, dann räumst du es eben wieder weg.  

Dorf und Großstadt in einem!

Jede Ecke Berlins, jeder Kiez, hat seinen eigenen Charme und wirkt so wie eine kleine, in sich geschlossene Welt. Und deswegen dauert es auch eine Weile, bis man sich seine Meinung über Berlin gebildet hat. Französisch Buchholz mit seinen kleinen Einfamilienhäusern und ruhigen Ecken ist genauso Berlin wie Neu-Hohenschönhausen mit seinen Plattenbauten oder Mitte mit seinen Shoppingmalls und historischen Gebäuden. Und egal auf was man eben gerade Lust hat - ob Großstadtrummel oder Kleinstadtidylle - eigentlich findet man in Berlin alles.

Generell - egal wie albern das klingt - ist Berlin für mich wie ein guter Freund oder eine gute Freundin, die in jeder Lebenslage für dich da ist - egal wies dir geht und was du gerade brauchst. Und diese wundervolle Freundschaft - auch wenn wir zugegebenermaßen mal unsere Streitigkeiten hatten - werde ich wohl ein Leben lang pflegen. Und ich könnte diesen Text hier jetzt noch eine Weile weiter schreiben, aber ich denke, du hast es verstanden: Berlin ist sehr, sehr schön.



In Barlin is och nich allet dufte...

(Sorry an die Berliner*innen an dieser Stelle - aber einmal musste das sein.) Nein, gemäß dem abgedroschenem aber wahren "nobody is perfect" hat auch Berlin seine Schattenseiten. Ständig steigende Mietpreise verdrängen Menschen aus ihren Wohnungen, aus ihrem Kiez, aus ihrer Heimat. Die Folgen für den*die Einzelne*n sind fatal. Wenn du das anders siehst, sei dir als prominentes Beispiel Peter Hollinger ans Herz gelegt. Er ist kein Einzelfall und bei all meinem Berlin-Gehype ist die fortschreitende Gentrifizierung ein Kritikpunkt, dem ich nichts entgegensetzen kann und will. Das ist ein Problem für dass Berliner*innen, Zugezogene und Politik eine Lösung finden müssen.



Apropos Kritikpunkte 

Eigentlich sind solche Liebeserklärungen ja ziemlich öde, oder? Wenn du dich bisher durchgekämpft hast und dir Berlin jetzt aus dem Hals hängt, haben wir hier die passenden Worte für dich. Wenn du ansonsten noch mehr Liebe hinzuzufügen hast oder das doch ganz anders siehst, freuen wir uns über deinen Input via Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!!




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