Wie wir besser über Sex sprechen können

Wie wir besser über Sex sprechen können

Consent Calling: Über Sextalk und Konsens

Von  Auri
In dieser Folge geht es um die "Spielwiese, auf der Sex stattfinden sollte" - so sagt das meine Gästin Jojo von Consent Calling.


Content Warning: In dem Artikel wird von sexueller Gewalt erzählt.


Salut Sex! Folge #08

Es geht um das Thema Konsens. Um Einvernehmlichkeit. Um das Go, das alle Beteiligten geben sollten, bevor es zur Sache geht. Klingt easy. Nur:

So leicht, ist es manchmal gar nicht, mit dem konsensuellen Sextalk.

Denn Konsens einholen, die eigenen Grenzen kennen, spüren, kommunizieren können - das ist gar nicht mal so leicht. Vor allem, weil wir es uns selbst beibringen müssen. In Pornos wird Konsens einzuholen, ja nicht gerade vorgelebt.

Das Sexshopkollektiv Consent Calling erklärt, wie es geht.

In dieser Folge spreche ich mit Jojo. Sie ist Mitglied des Münchner Sexshopkollektivs Consent Calling. Die verkaufen nicht nur queeres, feministisches Sexspielzeug, sondern geben auch Lesungen, Vorträge und Workshops rund um die Themen Sextoys, Konsens und sexuelle Selbstbestimmung. Ich habe mit Jojo darüber gesprochen, wie wir unser Sexleben konsensueller gestalten können und welche Tipps sie für uns hat.

Webtipp

  • Consent Calling: Über Sextalk und Konsens
    Wie wir besser über Sex sprechen können

Noah über sein schlimmstes Date

Wir starten mit einer Geschichte, die uns zeigt, dass wir unbedingt mehr über Konsens reden und lernen müssen. Hörer Noah erzählt von seinem Date mit einem auf den ersten Blick coolen Typen. Einem Typen aus seiner "Bubble". Aber entgegen Noahs Erwartungen war er sehr unsensibel und sogar gewaltvoll beim Sex. 

"Konsens bedeutet für mich, dass Partner*innen verbal oder non-verbal ihre Zustimmung geben. Sprich: signalisieren, dass sie das möchten oder nicht möchten, was gerade passiert. Ich habe leider genau das Gegenteil erlebt. Ich hatte ein spontanes Date mit einem Mann, der auf den ersten Blick super smart und sexy schien. [...] Beim Sex hat sich herausgestellt, dass er sehr gewalttätig  war. [...] Als ich dann gesagt hab: 'Hey, es geht nicht mehr', hat er den Sex abgebrochen und gesagt, ich wisse einfach nicht was Leidenschaft sei. Im Nachhinein habe ich mir gedacht, dass er einfach Leidenschaft mit Gewalt verwechselt hat und damit war ich nicht einverstanden." - Noah

Noah hatte den Mut, den Mann zur Rede zu stellen

"Ich habe ihn danach darauf angesprochen und ihm gesagt, wie gewalttätig das mir gegenüber war. Und tatsächlich hat er es begriffen und sich aufrichtig entschuldigt. Damit konnte ich auch irgendwo mit der Sache abschließen." - Noah

Noahs Message: Steht zu euren Grenzen und lasst euch nichts einreden

"Meine Message an alle ist: Lasst euch auf keinen Fall einreden, nur weil ihr etwas nicht mitmachen wollt, dass ihr prüde seid oder spießig. Oder gar: nicht wissen würdet, was Leidenschaft sei; nur weil ihr etwas nicht machen wollt. Steh zu euch und hört auf euren Körper."

Solche Geschichten zeigen, wie dringend wir uns alle in Sachen Konsens sensibilisieren müssen. 


Was bedeutet Konsens?

Konsens bedeutet sowas wie "Übereinstimmung der Meinungen" oder "Zustimmung, Einwilligung". Im sexuellen Kontext dann natürlich:

Alles, was passiert, passiert mit Zustimmung aller beteiligten Personen.

Das klingt so banal. Und ist es eigentlich auch, doch trotzdem gibt's immer wieder Situationen wo wir vielleicht doch nicht "Stop" sagen. Wo wir, um "den Vibe nicht zu killen", nicht sagen, was wir gerade möchten oder eben nicht möchten.  Warum kommt es überhaupt so weit?

Warum ist Konsens nicht immer so einfach?

Warum gibt es Menschen, die erste "Stop"-Signale einfach überhören und warum fällt es einigen schwer, zu ihren Grenzen zu stehen? 

Wir sind umgeben von Narrativen, die Gewalt beim Sex relativieren 

Jojo von Consent Calling erklärt: In unserer Gesellschaft werden Stop-Signale auch oft überhört oder gar nicht ausgesprochen, weil Gewalt beim Sex relativiert wird:

"Wir sind umgeben von Narrativen, die Annahmen schaffen. Zum Beispiel das sehr gängige Verführungsnarrativ 'Frauen wollen verführt werden': Ein Mann spricht in einer Bar eine Frau an. Die Frau sagt 'nein' sagt, was der Mann widerrum nicht als 'nein' versteht, sondern als 'ich muss sie einfach mehr verführen'." - Jojo

Das ist auch ein Übergehen von Konsens.

Konsens soll direkt und explizit sein

Also auch wörtlich genommen werden. Jojo zitiert hier die Philosophin und Sexualwissenschaftlerin Rona Torenz: Kommunikation solle immer direkt und explizit sein. Das heißt: Ich spreche die Dinge an, und zwar konkret. beziehungsweise ich frage konkret nach, sagt Jojo: 

"Das ist aber selten die Art von Kommunikation, die im Bett stattfindet. Weil mensch sich dann verletzlich macht. Wenn ich beim Sex frage: Hast du Lust, dass ich mit dir das und das mache. Und dann kommt ein 'nein', dann ist das eine Form von Zurückweisung." - Jojo

Immer gelebter Konsens: eine Utopie? 

Ganz klar: Wer zweideutig fragt, macht sich weniger verletzlich. Alles immer konkret aus- und ansprechen zu können, braucht Mut. Konsens ist eine Utopie. Der Weg dorthin: ein Prozess.

Es gibt einige Tipps und Tricks wie wir mehr Konsens im Sexleben herstellen können, sagt Jojo:

"Zum Beispiel, wenn ich weiß, dass mir Konsens einholen schwer fällt und / oder ich in einen Flow komme, wo ich einfach mein Programm abspiele: Da kann es helfen, die natürlichen Breaks vom Sex zu nutzen. Wenn zum Beispiel ein Lecktuch oder ein Kondom aufreiße oder nochmal kurz aufs Klo gehe - das sind so natürliche Breaks die man nutzen kann für einen Selbstcheck: 'Will ich das grade" und die andere Person zu fragen: 'Ist das gerade in Ordnung für dich'?" - Jojo

Natürlich Unterbrechungen beim Sex nutzen, um den Konsens-Check zu machen, ist der Tipp von Jojo. Im Porno kommt diese Stelle so gut wie gar nicht vor.

Generell sieht es in Porno-Skripts sehr mau aus, wenn es um Konsens geht.

Zumindest in Mainstream-Pornos. Ein "Darf ich" oder "Willst du, dass" findet man dann doch eher in feministischen Pornos wie von Paulita Pappel oder Erika Lust. 

Konsens ist die Spielwiese auf der Sexualität stattfinden sollte

"Nur durch Konsens kann Sexualität wirklich ausgelebt werden. Und Konsens bedeutet hier nicht, dass in einer Beziehung einmal eine Sache abgefragt wird und dann ist es so. Sondern es ist ein bestimmter Zustand in genau diesem Moment, der beim nächsten Mal schon wieder anders sein kann." - Jojo von Consent Calling



Mehr zum Thema Konsens

Noch mehr über das Thema Einvernehmen und Consent erfährst du hier, in der egoFM Rubrik Feminism Friday.



Salut Sex! Liebesgrüße aus der Tabuzone gibt es alle zwei Wochen dienstags auf egoFM und überall, wo es Podcasts gibt.

Die nächste Episode erscheint am 25. Juli 2023. In der Folge geht es um guten Consent Calling.

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