girl in red - if i could make it go quiet

girl in red - if i could make it go quiet

Der Lieblingstonträger der Woche

Von  Vitus Aumann
Marie Ulven hat sowieso schon Ikonenstatus – ihr Debütalbum zementiert diesen nur noch.

Ab wann hat man es als Künstler*in eigentlich geschafft?

Wenn das eigene Gesicht jede zweite Streamingplaylist ziert? Wenn man von Megastars wie Taylor Swift abgefeiert wird? Wenn die scheinbar triviale Frage "Sag mal, hörst du auch girl in red" plötzlich zum lockeren Code auf TikTok für "Stehst du auch auf Frauen?" wird? Marie Ulven hat diese Checkliste schon komplett abgearbeitet. Kein Wunder also, dass ihr Debütalbum schon lange herbeigesehnt wird.

Dabei macht if i could make it go quiet ziemlich viele unerwartete Schlenker. Es dürfte die Fans aber trotzdem ziemlich glücklich machen.

  • girl in red - if i could make it go quiet
    Der Lieblingstonträger der Woche

Plötzlich elektronisch

Eigentlich haben wir es hier ja erst mit dem Debütalbum von girl in red zu tun. Trotzdem ist if i could make it go quiet schon ein ziemlicher Bruch mit dem Sound, der Marie Ulven bekannt gemacht hat. Ihre ersten EPs waren noch von verzerrten Gitarren und energiegeladenem Schlagzeug geprägt. Auf ihrem Debüt wird jetzt der Instrumentenschrank ausgeleert: Klavierakkorde, Synthielines und wabernde Bässe ziehen sich durch Songs wie "hornylovesickmess", "Apartment 402" und "Body and Mind".

Da fällt natürlich eine gewisse Nähe zu Billie Eilish auf – nicht nur weil niemand anderes als Finneas seine Produzentenhände im Spiel hatte. Trotzdem ist das Album aber keine komplette 180 Grad Wende: Die girl in red Melancholie hat zwar ein elektronischeres Gewand bekommen, aber sie ist nach wie vor in der Grund DNA von jedem Song spürbar. Und nicht zuletzt drehen "You Stupid Bitch" und "Rue" auch die Gitarrenverstärker wieder so laut auf, dass man sich schon mental in verschwitzten Konzertkellern wieder sieht.

Das womöglich Wichtigste ist sowieso gleichgeblieben – Maries Texte sind nach wie vor kompromisslos ehrlich und direkt.

Ihre Themen sind wie schon gewohnt die Liebe und der Kampf gegen die inneren Dämonen. girl in red versteckt sich dabei selten hinter Metaphern, sondern trifft den Nagel ziemlich deutlich auf den Kopf: Ihre Depression wird nicht als Schwarzer Hund oder Sonnenfinsternis beschrieben, sondern trocken als Serotoninmangel. In "Rue" wird das eigene Gehirn verflucht, die Freundin, die Marie nicht als Partnerin, sondern eher als Aushilfstherapeutin sieht, wird wenig höflich mit "You Stupid Bitch" angesprochen. Und in "hornylovesickmess" stellt sie fest, dass jeder Ruhm nur halb so schön ist, wenn man trotzdem alleine im Hotelzimmer rumhängen muss.


"YES i like tits but jeez MY BOPS ARE FOR EVERYONE" 

Maries Texte kommen wirklich wie tiefpersönliche Tagebucheinträge einer frisch durchgestarteten Künstlerin daher. Bei der ganzen Ehrlichkeit überrascht es fast schon nicht mehr, dass die Platte mit einem fast schon kathartischen Klaviersolo endet. Trotzdem drängt sich bei dem ein oder anderen die Frage auf: Kann man sich in den Songs überhaupt wiederfinden, wenn man weder der queeren Community, noch der Generation TikTok angehört? Auch wenn Musik natürlich immer Geschmacksache ist, kann die Frage ganz klar mit JA beantwortet werden.

Denn auch wenn Maries queere Identität immer eine Rolle spielt, sollte sich jede*r in ihren Themen wiederfinden können.



Tracklist: girl in red - if i could make it go quiet

1. Serotonin
2. Did You Come?
3. Body And Mind
4. hornylovesickmess
5. midnight love
6. You Stupid Bitch
7. Rue
8. Apartment 402
9. .
10. I'll Call You Mine
11. it would feel like this

if i could make it go quiet von girl in red wurde am 30. April 2021 via world in red veröffentlicht.

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