Wenn Sam zuschaut, sollten wir hinhören.
Vorhang auf: Das Bühnenbild zeigt einen Pub an der Westküste Englands
Die Menschen sitzen an den Tischen, Guinness und Fries vor ihnen und es wird gequatscht. Über die letzten Newcastle United Ergebnisse, warum die Lebensmittel plötzlich so teuer sind oder auch einfach die guten alten Zeiten. Manche Geschichten wirken erst trivial, aber hinter ihnen versteckt sich dann doch so viel Schönes und auch so viel Frust und Trauer. Es sind diese scheinbar ganz alltäglichen Geschichten, die eben genau das sind, was das Leben am Ende ausmacht.Genau darüber singt Sam Fender auf People Watching.
Der übliche Horror
Nichts wirklich Neues: Sam Fender hatte schon seit allerfrühesten Anfängen keine Scheu vor nervenaufreibenden Songtexten. Egal, ob es dabei um nukleares Armageddon (Hypersonic Missiles) oder traumatisierende Jugenderinnerungen geht (Seventeen Going Under). Sein drittes Album macht da jetzt genauso mutig weiter. Wie der Name schon sagt, schaut sich Sam dieses Mal seine Mitmenschen genauer an und erzählt vom Leben im "Crumbling Empire", wie er es selbst nennt. Dabei singt er über den verzweifelten Versuch, den Kopf oben zu halten, während jede weitere angeblich hilfreiche Maßnahme der britischen Regierung die Misere nur noch schlimmer macht. Oder vom Moment, wenn man nach Hause kommt und alle schlimmen Erinnerungen der letzten Jahre plötzlich wieder mit voller Wucht über den Kopf hereinbrechen. Wie man es von Sam aber kennt, schafft er es, diesen Tiefschlagthemen immer mit der richtigen Energie entgegenzutreten.Wenn man zuhört, resigniert man nicht – man schöpft neue Hoffnung.
Keine Wohlstandsverwahrlosung
Im Vergleich zu anderen britischen Rockstars, die sich nach dem schnellen Erfolg recht flott von der Gesellschaft ab- und dem gottlosen Vollrausch zugewandt haben, bleibt Sam Fender eben seinen Wurzeln treu. Trotzdem kann man als Headliner der größten Festivals natürlich nicht mehr einen auf Arbeiterklasse machen. Das weiß Sam natürlich auch, und so ist People Watching seine große Sinnsuche zwischen Stadionrock und der trostlosen Pub Night in der Heimat.Sam beobachtet also nicht nur, er reflektiert auch seinen persönlichen Lebensweg, seine Beziehung zur Familie und was sich seit seiner Kindheit alles verändert hat.
Da passt es dann auch nur, dass sich auch der Sound von Sams Musik verändert hat. Wo Hypersonic Missiles noch wie ein Album klang, das man mit den Jungs in der Garage aufgenommen hat und bei dem halt zufällig ein Saxofon in der Nähe stand, klingt People Watching deutlich variabler, poppiger und auch größer. "Crumbling Empire" erinnert schon ziemlich an 80er-Jahre Softrock, und "Chin Up" klingt nach der Afternoon Glory-Phase von Oasis. Das ist zum Glück aber kein zu großer Bruch, denn Sam hat ja schon immer einen guten Schuss Bruce Springsteen in seine Musik gepackt. Der kommt jetzt halt noch ein bisschen stärker zu tragen als eh schon.People Watching bleibt also seinen Stärken treu – Sam macht einfach das, was er am besten kann.
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