Sam Fender knüpft mit seinem zweiten Album an das erfolgreiche Debüt an und ebnet sich damit seinen Weg zur modernen Brit Rock-Ikone.
Coming of Age
Für sein zweites Werk hat sich Sam Fender ein großes Thema rausgepickt: Die Herausforderungen des Erwachsenwerdens - mit allen möglichen Wirrungen und Irrungen und dem letztlichen Meistern dieser harten Zeit.Der Engländer aus North Shields beschreibt die Vision von Seventeen Going Under selbst dabei wie folgt:
"Es ist eine nachvollziehbare Reise, die durch eine oft vergeudete Jugend führt, durch stürmische Beziehungen zu Freunden und Familie, und durch den Versuch herauszufinden, was als Nächstes kommt und wie man dorthin kommt." - Sam Fender
Vergeudete Jugend, also verlorene Zeit... Das ist arg treffend - nicht nur sinnbildlich, sondern auch schmerzlich ins Herz für all diejenigen, die ähnliche Erfahrungen beim Älterwerden gemacht haben und nun auf diese Zeit zurückblicken. So viel Unsicherheit, so viel Verletzlichkeit. So viele irreale Zwänge - retrospektiv betrachtet. Denn im Dort und Damals waren sie mehr als echt und vor allem auch mehr als zurückhaltend. Ganz besonders, wenn man auch noch in einem Kaff aufwächst, das eher Unmöglichkeiten aufweist, als dass Möglichkeiten zur Entfaltung geboten werden.
Der Schaffensort des Albums konnte also auch nur einer sein: North Shields
Gemeinsam mit seinem Produzenten Bramwell Bronte hat sich Sam Fender in seinem Geburtsort verzogen. Dort wurden alte Wunden aufgerissen, deren Sekret als Schmiermittel für Seventeen Going Under verwendet wurde. Allerdings - und das muss man jetzt einmal einwerfen, bevor es zu düstern wird - ist der Inhalt des neuen Albums nicht nur ein Lamentieren der Jugend, sondern genauso eine Zelebration. Des Überstehens. Des Durchkommens. Außerdem ist hier und da auch die ein oder andere positive Erinnerung vermerkt. Bitterkeit geht mit Euphorie also eine harmonische Symbiose ein. Beide existieren zu einem bestimmten Zweck: Verarbeitung. Seventeen Going Under ist damit wahnsinnig persönlich, wahnsinnig emotional - und macht den Künstler wahnsinnig greifbar.Der Klang von Seventeen Going Under
Sam Fenders bietet mit dem gleichnamigen Eröffnungstrack einen Start, der sinnbildlich für das Thema von Seventeen Going Under steht: Sein Gesang baut eine Spannung auf, die man gerne mit Zügeln vergleichen kann, die reißen, sobald der Refrain einsetzt. Die Kraft, also das eigentliche Potenzial, löst sich los, der Song bekommt einen unglaublichen Trieb. Wild. Unverfroren. Jugendlich. Ein Mittel, dessen sich Sam Fender mehrfach bedient.Charakteristische Klangdetails ziehen sich wie ein roter Faden durch das Album, ohne dass sich die Songs allzu ähnlich klingen. Nach den ersten zwei Tracks, die an dem Klang anknüpfen, den Sam Fender mit Hypersonic Missiles etabliert hat, begibt er sich aus seiner Komfortzone und probiert mit Song wie "Aye" und "Long Way Off" neue Sachen aus. Mit Klagegesang, organischen Percussions, einem dezent gebremsten Rhythmus und Genre-Elementen von Soul und Pop wird hier herumexperimentiert. Das Familiendrama "Spit of You" bedient sich sogar an Saxofonklängen, "Last to Make It Home" ist mit etwas Piano und Glockenspiel eine einwandfreie Ballade, bevor der Zug des Albums mit "Leveller" und seinen härteren Gitarrenriffs und einem wilden Schlagzeugspiel wieder Fahrt aufnimmt. Auf "Mantra" schlägt der Takt dann schon wieder anders, nochmal wesentlich ruhiger. Hier spricht Sam Fender explizit über seine persönlichen psychischen Probleme.
Das Album ähnelt einem klanglichen Pingpong-Spiel zwischen schnellen und langsamen Tracks. In "The Dying Light" findet das Spektakel schließlich einen angemessenen Höhepunkt: Zaghafte Klaviertöne explodieren zu einer kraftvollen Hymne, was Seventeen Going Under zusammenfasst und zu einem gelungenen Ende bringt.
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