Ein Herz für jede Rasse

Ein Herz für jede Rasse

Claus Reichinger vom Tierschutzverein München im Interview

Sogenannte Listenhunde, auch als Kampfhunde bekannt, gelten als aggressiv und gefährlich - ihre Haltung ist in Deutschland je nach Rasse und Bundesland verboten. Das Projekt "Ein Herz für jede Rasse" setzt sich für neue Lösungen zu diesem Thema ein.


Mehr Bewusstsein für Listenhunde

Claus Reichinger ist Stellverstretender Vorsitzender im Tierschutzverein München und hat das Projekt "Ein Herz für jede Rasse" ins Leben gerufen, welches sich aktiv für sogenannte Listenhunde einsetzt.



  • Claus Reichinger im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören


Welche Hunderassen gelten als Listenhunde in Deutschland?

In Deutschland gibt es keine bundesweit einheitliche Regelung für Listenhunde, weswegen jedes Bundesland seine eigene, beziehungsweise auch gar keine Rasseliste hat. 
"Nachdem das alles so durcheinander ist und eigentlich keiner richtig weiß, um was es hier genau geht, haben wir das Projekt 'Ein Herz für jede Rasse' ins Leben gerufen, um einfach auch den Menschen zu sagen: Es kommt nicht auf die Rasse drauf an." - Claus Reichinger


Laut bayerischer Landeshundeverordnung, die 1992 verabschiedet wurde, gelten diese fünf Hunderassen als unwiderlegbar gesteigert aggressiv: 

  • American Pitbull Terrier
  • American Staffordshire Terrier
  • Bandog
  • Staffordshire Bullterrier
  • Tosa Inu

Es ist nicht erlaubt, diese Hunde - und deren Kreuzungen untereinander und auch Kreuzungen mit anderen Hunden - in Bayern zu halten. In der Theorie könnte jemand mit einem berechtigten Interesse zwar trotzdem einen dieser Hunde halten, in der Praxis ist das aber nicht durchführbar, sagt Claus Reichinger. Listenhunde der Kategorie 2 - das sind in Bayern 14 Rassen - können gehalten werden, wenn sie einen entsprechenden Wesenstest bestehen und ein sogenanntes Negativzeugnis ausgestellt bekommen. Es kann aber auch passieren, dass ein Wesenstest für Nicht-Listenhunde verlangt wird, wenn diese in der Vergangenheit auffällig geworden sind. 

Allgemein sind in Deutschland auf den jeweiligen Rasselisten der Bundesländer folgende Rassen häufig zu finden:

  • American Staffordshire Terrier
  • Bullterrier
  • Pitbull Terrier
  • Bullmastiff
  • Staffordshire Bullterrier
  • Cane Corso
  • Dogo Argentino
  • Bordeaux Dogge
  • Fila Brasileiro
  • Mastin Espanol
  • Mastino Napoletano
  • Mastiff
  • Tosa Inu


Sind sogenannte Kampfhunde immer gefährlich?

Früher waren Hundekämpfe sehr viel verbreiteter als es heutzutage in Deutschland der Fall ist. Damals wurden dafür besonders triebstarke Hunde aus generell eher triebstarken Rassen ganz bewusst miteinander verpaart.
"Und dadurch haben sich auch viele Hunde entwickelt, die einfach auch gewisse Eigenschaften gezeigt haben, die im normalen Hundealltag eher negativ sind. [...] Primär kann man jetzt nicht sagen, dass im Normalfall [...] gewisse Rassen generell aggressiver sind wie andere." - Claus Reichinger

Da muss schon wirklich der jeweilige Hund beziehungsweise dessen Elterntiere individuell betrachtet werden. Außerdem spielen auch Faktoren wie die Erziehung natürlich eine entscheidende Rolle. Davon, wie es in Großbritannien der Fall sein soll, moderne Rassen wie den American XL Bully zu verbieten, hält Claus Reichinger gar nichts:
"[Das ist] eigentlich totaler Blödsinn, weil man noch nicht einmal genau weiß, was da - Punkt eins - drin steckt, weil das ist ja eine Paarung von verschiedenen Rassen, also da müsste man ja noch mehr Rassen verbieten und zum anderen gehört einfach immer angeschaut, wie ist das Verhalten zwischen dem Hund und dem Halter [...], haben die eine Gefahr für die Öffentlichkeit oder eben nicht." - Claus Reichinger

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Claus Reichinger

Der Tierschutzverein München macht sich deswegen auch für einen bundesweiten Hundeführerschein stark und hat das schon mehrfach im Stadtrat, aber auch in der Presse angesprochen. Die bisherigen Regelungen, die es dahingehend teilweise in manchen Bundesländern gibt, sind da bisher nicht ausreichend.
"Es gehört in unseren Augen eigentlich bundesweit ein Hundeführerschein hier angeschafft, damit jeder, der sich heute einen Hund zulegt, [sich] überhaupt mal mit dem Thema Hund beschäftigt. Und das ist absolut frei von jeder Rasse. Jeder Hundehalter sollte und müsste sich mit dem Thema Hund erst einmal beschäftigen." - Claus Reichinger


Studien zufolge werden Listenhunde oft dann auffällig, wenn die Halter*innen sie mit Druck und Gewalt erzogen haben oder überfordert mit ihnen waren - da sie besonders kräftig sind und eine hohe Beißkraft haben kann es dann zu schweren oder gar tödlichen Verletzungen bei einem Angriff kommen. Es muss also klar sein, dass Listenhunde ganz besonders verantwortungsbewusste und fähige Menschen als Halter*innen brauchen. 

Viele Angriffe finden übrigens im eigenen Zuhause statt - besondere Vorsicht ist also geboten, wenn Kinder mit im Haus leben.


Auch Stephanie Lang von Langen setzt sich beruflich intensiv mit Hunden und ihren Halter*innen auseinander und bildet sie zu Therapieteams aus. Was das genau bedeutet hat sie uns im Interview erzählt, das Gespräch mit ihr findest du hier.

Warum so viele Listenhunde im Tierheim landen

Bundesweit landen ganz viele Listenhunde in den Tierheimen und das ist ein riesen Problem, erzählt Claus Reichinger. Dass so viele dieser Tiere dort landen, hat verschiedene Gründe: Zum Beispiel gibt es viele Züchter*innen, die diese Hunde illegal vermehren, den Halter*innen werden diese Hunde dann aber abgenommen und sie werden ins Tierheim gebracht. Es kommen aber auch viele Hunde aus dem Ausland illegal nach Deutschland, diese sind oft beispielsweise viel zu früh von der Mutter getrennt worden und sind deswegen häufig wesensschwach - und landen infolgedessen auch im Tierheim. Außerdem können natürlich auch diese Tiere den Halter*innen entzogen werden. 
"Teilweise sind sie [die Listenhunde] von den Behörden beschlagnahmt worden, das heißt, das ist dann fürs Tierheim ein sogenanntes Verwahrtier und dieses Verwahrtier darf das Tierheim auch nicht vermitteln bis zur Freigabe." - Claus Reichinger

Bis zur Freigabe kann allerdings auch über ein Jahr vergehen. Was besonders schlimm ist: diese Rassen sind extrem anhänglich und extreme Familienhunde, weswegen sie im Tierheim sehr leiden, erklärt Claus Reichinger.
"Viele von diesen Hunden kippen auch im Tierheim weil sie einfach mit dem tristen Tierheimleben auch nicht so einfach zurecht kommen." - Claus Reichinger   

In München arbeiten deswegen viele Hundetrainer*innen, die dafür sorgen, dass diese Tierheimhunde beschäftigt und ausgelastet sind - das ist aber viel Arbeit und das können nicht alle Tierheime leisten, sagt Claus Reichinger deutlich. Wenn du dich allgemein für Tiere interessierst findest du hier noch viele spannende, unterhaltsame und interessante Artikel, zum Beispiel stellen wir dir hier die kuriosesten Tiergesetze weltweit vor und hier haben wir mit Peter Hübner gesprochen, er hat früher selbst geschlachtet und ist heute Veganer.



Was denkst du: Sollte Deutschland das Thema Listenhunde mal angehen oder findest du es gut so, wie es aktuell geregelt ist? Schreib's uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per WhatsApp an 089/360 550 460. Abgesehen von spannenden Artikeln liefern wir übrigens auch jede Menge sorgfältig kuratierte musikalische Unterhaltung - klick einfach auf das Bild und du landest direkt im egoFM Musik-Stream:

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