Erfahre mehr über die mutigen Pionierinnen der deutschen LGBTQIA-Szene, die trotz Widrigkeiten für Akzeptanz und Gleichberechtigung kämpften. Ihre Geschichten inspirieren und stärken die queere Community bis heute.
radiowelt
19.06.2024
Diese queeren Ikonen solltest du kennen
Deutsche Pionier*innen der LGBTQIA*-Szene
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Claire WaldorfQueere Ikonen Deutschlands
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Karl Heinrich UlrichsQueere Ikonen Deutschlands
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Magnus HirschfeldQueere Ikonen Deutschlands
Claire Waldoff: Die freche Chansonniere
Markenzeichen und Karrierebeginn
Krawatte, Hemdsbluse und bronzeroter Bubikopf – das sind die Markenzeichen der Chansonniere Claire Waldoff. Bekannt für ihre einfache, gerade Art und ihre kratzbürstige Berliner Schnauze, brachte sie ihre Zuhörer*innen mit Liedern wie "Ach Gott, was sind die Männer dumm" zum Schmunzeln. Claire Waldoff, geboren als Clara Wortmann in den 1880er-Jahren, war eines von 16 Kindern. Da das Geld fürs Medizinstudium fehlte, zog es sie ans Theater. Nach ersten Engagements in der Provinz versuchte sie sich als Kabarettsängerin in Berlin und wurde bald zum Star der Hauptstadt.Politische Lieder und Liebe
Waldoff geriet immer wieder in die Fänge der Zensur, da viele ihrer Texte politisch anrüchig waren. Mit Liedern wie "Raus mit den Männern" brachte sie ihre Kritik zum Ausdruck. In einem Berliner Nachtclub lernte sie ihre große Liebe Olga von Roeder kennen. Ihre Beziehung war nicht nur privat, sondern auch gesellschaftlich bedeutend: Zusammen wurden sie zum Mittelpunkt des lesbischen Lebens im Berlin der 20er-Jahre, und in ihrem kulturell-politischen Salon verkehrten viele künstlerische Größen der Stadt.Späte Jahre und Vermächtnis
Mit der Machtübernahme der Nazis stagnierte ihre Karriere. Ein Auftrittsverbot wurde erst aufgehoben, als sie in die Reichskulturkammer eintrat. Die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte sie zurückgezogen mit ihrer Partnerin auf dem Berchtesgadener Land. Claire Waldoff starb im Alter von 72 Jahren und teilt sich mit Olga von Roeder ein Familiengrab. Ihre frechen und ungestümen Lieder hallen bei der queeren Community und darüber hinaus nach und bleiben unvergessen.Noch mehr Queer History: Hier stellen wir dir 10 Schwarze Personen vor, die queere Geschichte geschrieben haben und dort erzählen wir von Meilensteinen der LGBTQIA*-Geschichte.
Karl Heinrich Ulrichs: Der erste Urning
Historischer Auftritt und frühe Jahre
München im Jahr 1867: Ans Rednerpult tritt ein schlanker, bärtiger Mann aus Hannover und schreibt Geschichte. Karl Heinrich Ulrichs outet sich als erster Mensch öffentlich als Urning (das ist ein historischer Begriff für einen homosexuellen Mann). Geboren 1825, studierte Ulrichs Theologie, Geschichte und Rechtswissenschaften. Er verlor seine erste Anstellung am Gericht, weil ihm "widernatürliche Wollust mit anderen Männern" nachgesagt wurde. Daraufhin arbeitete er als Anwalt, verlor jedoch auch diesen Beruf aus demselben Grund.Kampf für Gleichberechtigung
Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichte er die erste von zwölf Schriften mit dem Titel Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe. Er prägte den Begriff Uranismus und forderte auf dem Juristentag in München die Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Liebe sowie das Recht auf Eheschließung. Trotz Tumults und abgebrochener Rede schrieb er später stolz, dass er der "Hydra der öffentlichen Verachtung einen ersten Lanzenstoß" versetzte.Vermächtnis und Einfluss
Ulrichs selbst erlebte die Früchte seines Kampfes nicht. Er starb im Alter von 70 Jahren im italienischen Exil. Seine Schriften jedoch prägten Generationen von Sexualwissenschaftler*innen und legten den Grundstein für die queere Emanzipationsbewegung.Magnus Hirschfeld: Der Kämpfer für sexuelle Vielfalt
Frühe Jahre und Engagement
Magnus Hirschfeld, geboren 1868 in Preußen, war ein Leben lang ein unermüdlicher Kämpfer gegen die Marginalisierung queerer Menschen. Ende des 19. Jahrhunderts gründete er die erste Organisation zur Abschaffung des Paragraphen 175, der Sex zwischen Männern unter Strafe stellte. Hirschfeld war der erste Mediziner, der Trans- und Intergeschlechtlichkeit als normale Ausprägungen auf dem Spektrum der Geschlechter beschrieb, nicht als Krankheiten. Er gab dem Konzept den Namen "Transvestie".Institut für Sexualwissenschaft
Im Jahr 1918 eröffnete er in Berlin das erste Institut für Sexualwissenschaft. Dieses Institut war ein Leuchtturm und Zufluchtsort für die queere Gemeinschaft. Hirschfeld machte nie ein Geheimnis aus seiner polyamoren Beziehung zu zwei Männern und war aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seines Engagements eine Zielscheibe der Nazis.Flucht und Tod
Nach einer schweren Attacke durch einen rechten Schlägertrupp floh Hirschfeld in die Schweiz. Von dort aus musste er mitansehen, wie die Nazis 1933 seine Schriften verbrannten und sein Institut plünderten. Zwei Jahre später starb er im Exil. Seine Grabplatte ziert sein Lebensmotto: "Per scientiam ad justitiam" – durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit. Sein Erbe lebt weiter und inspiriert bis heute die Arbeit für die Rechte und Akzeptanz der queeren Gemeinschaft.Diese drei Pionier*innen haben mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit den Weg für die heutige LGBTQIA-Bewegung geebnet. Ihre Geschichten erinnern uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung und Akzeptanz fortgesetzt werden muss – für eine Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität frei und sicher leben können.
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