Die innere Uhr tickt bei jedem Menschen anders. Die Wissenschaft der Chronobiologie zeigt, warum Schlafmangel kein persönliches Versagen ist, sondern oft gesellschaftlich bedingt – und wie du deinen Chronotyp nutzt, um gesünder zu leben.

radiowelt
21.03.2025
Warum deine innere Uhr wichtiger ist als dein Wecker
Was Lerchen, Eulen und Schichtarbeit mit deiner Gesundheit zu tun haben
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Innere Uhr, Schlafrhythmus NachteulenChronobiologe Dr. Bert Maier im Interview
Was ist Chronobiologie überhaupt?
Die Chronobiologie erforscht, wie unsere innere Uhr tickt – und das im wahrsten Sinne. Denn unser Körper folgt einem 24-Stunden-Rhythmus, der von Genen, Licht und Verhalten gesteuert wird. Dr. Maier und sein Team an der Charité analysieren genau, wie diese Prozesse ablaufen und wie man sie sichtbar machen kann. Ziel: bessere Gesundheit durch besseren Rhythmus."Am einfachsten ist es, auf seine innere Uhr zu hören und dem natürlichen Rhythmus zu folgen. Diese Möglichkeit hat vielleicht nicht jeder Mensch, weil er eben eingebunden ist in soziale Verpflichtungen." - Dr. Bert Maier von der Laboratory of Chronobiology
Trotzdem empfiehlt Dr. Maier zum Beispiel im Urlaub gezielt auf die innere Uhr zu hören, aufzustehen, wenn man wach wird, morgens gleich viel Licht abbekommen und dann zu schauen, ob und wie man das vielleicht doch in den Alltag integrieren kann. Bei den extremen Chronotypen kann sich das jedoch etwas schwieriger gestalten.
Lerchen, Eulen und das riesige Dazwischen
Lerchen starten früh, Eulen laufen nachts zur Hochform auf – und die meisten Menschen pendeln irgendwo dazwischen."Aber die ganz Extremen, das sind eben die auffälligen und es sind häufig auch die, die mit den gesellschaftlichen Anforderungen eben nicht ganz klarkommen. Ob das jetzt Schüler sind, die Schwierigkeiten haben, morgens um 08:00 Uhr eine Klausur in der Schule gut zu schreiben oder eben Menschen, die in der Frühschicht arbeiten müssen und da noch nicht ihre volle Leistung bringen können." - Dr. Bert Maier von der Laboratory of Chronobiology
Das Problem ist also, dass Schule, Arbeit und Gesellschaft oft auf Frühaufsteher*innen ausgerichtet sind. Wer hier zum Beispiel aus dem Raster fällt, hat das Nachsehen – im wahrsten Sinne.
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Warum 7 Stunden Schlaf nicht für alle reichen
Die Schlafdauer ist individuell – und wissenschaftlich noch nicht ganz verstanden. Manche zögern das Zubettgehen scheinbar unbegründet hinaus, andere brüsten sich, dass sie mit nur fünf Stunden Schlaf auskommen: Gesund ist das selten. Die meisten brauchen zwischen sieben und acht Stunden – alles darunter ist oft nur ein kurzfristiges Funktionieren, nicht echter Ausgeruht-Sein.Was passiert, wenn wir gegen unsere innere Uhr leben?
"Im Regelfall wird das keine großen Auswirkungen haben. Die meisten Menschen liegen gar nicht so weit entfernt von dem, was sie im Alltag, von den sozialen Anforderungen vielleicht auferlegt bekommen [...]. Die können sich ganz gut an diese Situation anpassen mit ihrer inneren Uhr, das heißt, sie stehen vielleicht ein bisschen früher auf, um zur Schule gehen zu können, sehen dann aber eben auch entsprechend ein bisschen früher Licht. Das Licht stellt wiederum diese Uhr ein bisschen früher und so gelingt es ihnen, sich an die Anforderungen anzupassen." - Dr. Bert Maier von der Laboratory of Chronobiology
Im Extremfall, bei zum Beispiel Schichtarbeiter*innen, kann langfristige Folgen haben: Wer dauerhaft gegen den eigenen Rhythmus lebt, riskiert mehr als nur miese Laune sondern erhöht die Gefahr von Schlafstörungen, Stresssymptomen und Stoffwechselproblemen. Kurz gesagt: Wer seiner inneren Uhr keine Chance gibt, zahlt langfristig mit der Gesundheit.
Chronomedizin: Wann wirkt ein Medikament am besten?
Nicht nur wie viel, sondern auch wann: Die Chronomedizin untersucht, wann Medikamente am besten wirken. Ein Forschungsteam der Charité hat dafür einen Bluttest entwickelt, mit dem der Chronotyp bestimmt werden kann. Klingt nerdy, ist aber revolutionär – denn Behandlungen könnten in Zukunft auf den Tagesrhythmus abgestimmt werden."Noch wissen wir nicht ganz genau, wann bestimmte Medikamente ihre beste Wirkung oder ihre geringsten Nebenwirkungen haben. [...] Besonders für die zum Beispiel Krebstherapie, da erwarten wir uns positive Folgen dieser Forschung oder auch für die Schlafforschung. "- Dr. Bert Maier von der Laboratory of Chronobiology
Bleib ich mein Leben lang eine Eule?
Spoiler: Nein. Der Chronotyp verändert sich. Kinder sind oft Lerchen, Teenager werden zu Eulen (Hallo, Pubertät!) und im Alter wandelt sich das Ganze wieder zurück. Die innere Uhr tickt also nicht nur individuell, sondern auch dynamisch – was ziemlich tröstlich ist, falls du gerade mit deinem eigenen Rhythmus haderst. Und falls es bei dir an Einschlafproblemen liegt, helfen dir vielleicht diese Tipps von berühmten Persönlichkeiten.
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