Sind wir alle in einer parasozialen Beziehung?

Sind wir alle in einer parasozialen Beziehung?

Professor Holger Schramm im Interview

Von  Sabrina Luttenberger
Ob Serie, Künstler*in oder Influencer*in. Wir sind uns sicher: auch du hattest mindestens schon eine parasoziale Beziehung. Ab wann sie schädlich wird, wie sie uns aber auch hilft, erfährst du hier.




Ich kenne dich, aber du nicht mich

Wenn wir unsere Lieblingsbands oder Schauspieler*innen verfolgen, dann haben wir irgendwann das Gefühl, dass wir die Person zumindest so ein bisschen kennen. Denn: Wir bauen nach und nach eine Beziehung zu ihnen auf, eine sogenannte parasoziale Beziehung. Das heißt, die Beziehung ist nur einseitig, immerhin kennen nur wir die Person, aber sie kennt uns nicht. So eine Beziehung können wir aber auch zu fiktiven Charakteren haben, also Figuren in Serien, Zeichentrickfilmen, Robotern und so weiter. Professor Holger Schramm ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler und erklärt, was eine parasoziale Beziehung mit uns macht und ab wann sie kritisch wird.

"Ob jetzt jeder eine sehr intensive parasoziale Beziehung entwickelt in dem Sinne, dass er dann wirklich sagt 'Ich bin mit Haut und Haaren Fan', das ist vielleicht nicht bei jedem so, aber ich glaube selbst das könnte man fast jedem Menschen zuschreiben, dass er doch für irgendwen schwärmt oder für irgendjemanden wirklich über Jahre hinweg auch Interesse hat." - Holger Schramm

Das komplette Gespräch kannst du hier anhören:
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Starke parasoziale Beziehung = einsam im Real Life?

Manche bauen also schneller und vor allem auch stärkere parasoziale Beziehungen auf als andere. Früher, erzählt Holger Schramm, hat man vermutet, dass diejenigen im realen Leben eher einsam sind. Diese These wurde aber durch die Forschung widerlegt. So sei es überhaupt nicht. Stattdessen hat es mit verschiedenen Persönlichkeiten zu tun. Unseren und der unserer Lieblingsstars.

"Wir Menschen sind auch im im wahren Leben sehr unterschiedlich darin, ob wir eine Beziehung sehr schnell sehr heiß werden lassen [...]. Das hat mit der menschlichen Persönlichkeit zu tun, aber es hat auch damit zu tun, was die andere Person ausstrahlt. [...]. Eine hohe physische Attraktivität wirkt für die meisten sehr anziehend und wenn vielleicht sogar noch [...] jemand von seinem Charakter her interessant erscheint odervielleicht auch vielschichtig, dann kann das in der Summe dazu führen, dass diese parasozialen Beziehungen sehr intensiv werden." - Holger Schramm


Der Einfluss von Social Media auf parasoziale Beziehungen

Es hängt also durchaus mit dem Aussehen zusammen und wie viel man von sich preisgibt. Auf Instagram und TikTok sind wir Künstler*innen oder Influencer*innen ja noch näher als früher. Deshalb hat Social Media parasoziale Beziehungen in den letzten Jahren sehr stark beeinflusst. Positiv und negativ.

"Zum einen kann es diese parasozialen Beziehungen befördern, weil wir jetzt ja wirklich näher rankommen an unsere Stars und an vielen Stellen, die ja sogar das Gefühl haben: 'Der antwortet mir persönlich' [...]. Das Schwierige daran ist, dass man aber jetzt das Gefühl hat, sehr stark am Alltag der Stars teilhaben zu können, und damit wird es eigentlich weniger geheimnisvoll und und es wird nahbarer, aber das Attraktive liegt gerade häufig im Unnahbaren. Und insofern liegt auch eine Gefahr für die Musikstars da drin." - Holger Schramm


Wie die Musikindustrie von parasozialen Beziehungen profitiert

Andererseits weiß die Musikindustrie auch genau, wie sie parasoziale Beziehungen zu ihrem Vorteil nutzen kann. Denn bei vielen Künstler*innen ist heutzutage neben der Musik auch ihre Persona und die Beziehung zu ihren Fans das, was Fans anzieht. Bei Castingshows zum Beispiel sind es erstmal uns unbekannte Personen, die uns oft mit einer emotionalen Geschichte an sie binden.

Vor allem im K-Pop pflegen Gruppen ihre Beziehung zu ihren Fans mit regelmäßigen Livestreams, Nachrichten auf extra dafür vorgesehenen Fan-Plattformen wie Weverse oder Shows, in denen sie auf Reisen gehen und Fans damit einen Einblick in ihr vermeintlich privates Leben abseits der Bühne bekommen. Die Musikindustrie nutzt Parasozialität teilweise auch aus, da ist sich Holger Schramm sehr sicher.

"Vollkommen. Also sie machen das unterschiedlich gut, habe ich das Gefühl und auch unterschiedlich bewusst. Aber man hat einfach über die Jahrzehnte Erfahrungswerte gesammelt, was gut funktioniert, welche Knöpfe man drücken muss, um die Fans, sage ich mal bei der Stange zu halten und neugierig zu lassen, immer wieder kleine Futterstückchen zu geben, an die sie anbeißen können." - Holger Schramm



Ein (eher extremes) Beispiel dafür, was passieren kann, wenn parasoziale Beziehungen völlig aus dem Ruder laufen, liefert die Serie Swarm. Alles, was du darüber wissen musst, erfährst du hier



Ab wann schaden uns parasoziale Beziehungen?

Den allermeisten Menschen ist wahrscheinlich bewusst, dass solche Beziehungen nur einseitig sind. Problematisch wird es allerdings dann, wenn man den Bezug zur Realität verliert.

"Vor allem wird es natürlich dann irgendwann schwierig, wenn man das Gefühl hat, den Star so gut zu kennen, dass man fast das Gefühl hat, man könnte mit dem eigentlich auch 'n gutes Paar bilden [...]. Wir sagen, es wird dann pathologisch an der Stelle, es ist wirklich dann krankhaft. Weil dann einfach die Grenze aufgehoben wird. Diese Menschen merken nicht sozusagen, dass das Ganze eigentlich nur einseitig war. Sie verstehen nicht mal, dass sie den Star ja eigentlich gar nicht wirklich kennen, sondern sie kennen ja nur sein mediales Abbild." - Holger Schramm

Das ist allerdings schon das Extrem der parasozialen Beziehung. Im Gegensatz dazu, können sie uns durchaus auch bereichern. Laut Holger Schramm können sie sich positiv auf unsere Entwicklung auswirken, vor allem im zweiten Lebensjahrzehnt, wenn wir versuchen uns selbst zu finden. Aber auch unabhängig vom Alter machen sie unser Leben bunter, faszinierender und reichhaltiger. 



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