Was ist eigentlich Leitkultur?

Was ist eigentlich Leitkultur?

Politische Rhetorik oder veralteter Kulturkampf?

Leitkultur – ein Thema, das so verstaubt wie polarisierend ist. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat das Wort mal wieder aus der Mottenkiste gezogen. Aber was genau meint er damit? Und wieso wirkt es, als hätte er selbst keine Ahnung?

Marius Mestermann im Interview

Um das herauszufinden, haben wir uns mit Marius Mestermann, Journalist und Podcaster und Journalist vom SPIEGEL, unterhalten. Er hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und versucht, die Schachzüge der CDU zu entschlüsseln. Das komplette Interview kannst du hier hören:
  • Was ist eigentlich Leitkultur?
    Marius Mestermann im Interview

Was zur Hölle meint Friedrich Merz mit "Leitkultur"?

Merz redet also sehr viel von Leitkultur. Doch was bedeutet das eigentlich? Überraschung: Keiner weiß es so genau. Merz hat den Begriff vor über 20 Jahren in den politischen Diskurs geworfen – und seitdem schmückt er sich damit, ohne jemals wirklich auszusprechen, was dahintersteckt. Eine detaillierte Definition? Fehlanzeige.

Laut Mestermann ist die Leitkultur für die CDU so etwas wie ein politisches Schwert, das sie je nach Bedarf schwingt – mal für die Mitte der Gesellschaft, mal, um am rechten Rand Wähler abzufischen. Aber was bedeutet das in der Praxis?

Leitkultur: Was muss man tun, um "deutsch" zu sein?

Kommen wir zu der vielleicht absurdesten Frage: Was bedeutet es, der deutschen Leitkultur zu entsprechen? Deutsch sprechen? Die Nationalhymne auswendig können? Regelmäßig Schweinebraten essen und Bierzelte besuchen? In Lederhosen pupsen?

Der Begriff ist nicht nur vage, sondern grenzt auch viele Menschen aus, die längst Teil dieser Gesellschaft sind, aber kulturell vielleicht keine Lust auf Biergärten und Weihnachtsbäume haben. Und trotzdem wird er von Merz und Co. als politisches Werkzeug genutzt, um die Debatte rund um Migration zu lenken.

Kulturbashing oder einfach Wahlkampf?

Merz' Vorstoß in Sachen Leitkultur ist laut Mestermann vor allem ein taktischer Zug. Die CDU bereitet sich auf die Bundestagswahl vor, und was eignet sich da besser als eine vage kulturelle Angst, um Stimmen zu fangen...

Kritische Stimmen, wie Mestermann, fragen sich allerdings, ob das nicht nur eine billige Rhetorik ist, um die Menschen glauben zu lassen, man würde aktiv etwas gegen mangelnde Integration tun. Aber wie genau soll das eigentlich aussehen?



Leitkultur-Checklist

Stell dir vor, es gäbe einen Test zur Leitkultur: "Bitte kreuzen Sie an: Kennen Sie mindestens drei Gedichte von Goethe? Haben Sie je ein Dirndl getragen?" So lächerlich das klingt, so wenig wissen wir wirklich darüber, was Merz und seine Partei von uns erwarten, um "dazuzugehören". Was sollte deiner Meinung nach auf eine Leikultur-Checklist kommen? Schreib es uns per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder WhatsApp an die 089 360 550 460.



Leitkultur: Vom Kulturbegriff zum Spaltwerkzeug

Das Wort "Leitkultur" wird oft als etwas Positives verkauft, als ein Band, das die Deutschen vereinen soll. Aber der Realitätscheck zeigt etwas anderes: Es wird eher als Werkzeug der Ausgrenzung genutzt. Besonders Deutsche mit Migrationshintergrund fühlen sich von diesem Begriff ausgeschlossen. Sie leben hier, arbeiten, zahlen Steuern – aber fühlen sich durch solche Debatten oft wie Bürger*innen zweiter Klasse.

Mestermann merkt an, dass der Begriff oft dazu missbraucht wird, um Stimmung gegen Migranten zu machen, anstatt echte Integrationslösungen anzubieten. Es ist ein perfektes Vehikel, um kulturelle Ängste zu schüren und die Leute glauben zu lassen, dass Migration die Wurzel allen Übels sei.

Was ist eigentlich "deutsche Kultur"?

Am Ende bleibt die Frage: Was ist überhaupt deutsche Kultur? Geht es wirklich darum, wie viel Weißwurst du pro Jahr verputzt? Oder vielleicht eher darum, eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder akzeptiert wird – unabhängig von Herkunft, Religion oder Kultur?

Merz und seine Partei geben darauf keine klaren Antworten. Und solange das so bleibt, wird der Begriff "Leitkultur" wohl weiterhin nur als politisches Buzzword durch die Gegend geworfen, das mehr spaltet, als vereint.

Der Begriff Leitkultur – wie Mestermann es treffend formuliert – ist ein Symbol für eine Debatte, die sich immer wieder im Kreis dreht, ohne je eine Lösung zu finden. Und vielleicht, nur vielleicht, sollten wir aufhören, ihn als politisches Schlagwort zu verwenden, und anfangen, wirklich darüber zu reden, was gesellschaftlichen Zusammenhalt ausmacht.

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