Kein Alkohol, keine Drogen, kein bedeutungsloser Sex

Kein Alkohol, keine Drogen, kein bedeutungsloser Sex

Kiska über ihr Straight Edge-Leben

Keine Drogen, kein Alkohol und kein (bedeutungsloser) Sex - wir tauchen ein in das Leben der Straight Edge-Bewegung. Und lassen uns sogar ein kleines bisschen davon berauschen...




Straight Edge: Ein Leben ganz ohne Rausch

Wahrscheinlich hast du schon einmal von der "Straight Edge"-Bewegung gehört, aber was bedeutet das wirklich - auch im Alltag? 

Schauen wir uns die Geschichte hinter der Bewegung an:

Die Idee findet ihren Anfang in den frühen 80er-Jahren und konzentriert sich zunächst auf Drogen und Alkohol. Mit der Zeit kommen jedoch auch andere Aspekte wie Spiritualität und Veganismus hinzu, was noch mehr Menschen anspricht und in den Bann reißt. Aus der Idee wird eine Bewegung - klar, dass nun auch ein spezielles Symbol gibt: ein schwarzes X. Das X kennt man bereits in der Nachtkultur, dieses wird Minderjährigen in vielen Bars und Clubs mit Edding auf den Handrücken gemalt, um zu markieren, dass dieser Person kein Alkohol ausgeschenkt werden darf.

Zwar erlebt die Bewegung bis heute mal mehr, mal weniger Hype, prinzipiell ist Straight Edge nach wie vor relevant geblieben. Auch die Kölnerin Kiska bezeichnet sich selbst als Straight Edgerin und hat uns von ihrer Lebensweise im Interview erzählt. 
 

Was bedeutet es, Straight Edge zu sein?

"Keine Drogen, kein Alkohol, kein spontaner Sex" – so fasst Kiska ihre Straight Edge-Lebensweise zusammen. Seit vier Jahren lebt sie ein Leben ohne Rausch und hat sich das Symbol der Bewegung sogar auf den Finger tätowieren lassen.

Kiska hat zwar nie härtere Drogen genommen, in ihrer Jugend aber schon hin und wieder Alkohol getrunken. Vor vier Jahren beginnt sie Stück für Stück damit, ihre Lebensweise umzustellen. Den letzten Schluck Alkohol trinkt Kiska vor etwa zwei Jahren. Der Hauptgrund für ihre Entscheidung für Straight Edge ist ein Gefühl des Unwohlseins und des Kontrollverlusts beim Rausch, was alle kennen dürften, die schon mal eine gewisse Menge Alkohol getrunken haben.

"Ich war nie ein Kind von Traurigkeit, wenn es um Alkohol und Sex ging aber irgendwann kam die Reflexion: Eigentlich fühle ich mich richtig unwohl, wenn ich diesen Kontrollverlust im Rausch habe – das will ich nicht mehr." - Kiska

Straight Edge sein und trotzdem Sex haben - geht das?

Kiska selbst verzichtet nicht auf Sex, wie es manche Straight Edger tun. Tatsächlich lebt sie sogar polygam und hat aktuell zwei Partner. Allerdings macht Kiska einen Unterschied: Sie hat keinen spontanen, bedeutungslosen Sex mehr. Heißt konkret: Kein Sex mit Leuten, die man gerade erst kennengelernt hat, von denen man nichts, gegebenenfalls sogar nicht mal den Namen weiß. Kein "Eifer des Gefechts", bei dem die Leidenschaft nach dem Akt schneller abkühlt, als sie entflammt ist. Eine gewisse zwischenmenschliche Beziehung vor dem Sex ist Kiska wichtig.

Wie reagiert das Umfeld auf Straight Edge?

Während Kiskas Mutter ihre Entscheidung unterstützt, vermisst ihr Vater gelegentlich die gemeinsamen Trinkabende. Ihr Bruder wiederum lehnt die Bewegung gänzlich ab und das, obwohl er selbst keinen Alkohol trinkt. Er empfinde sie schlicht als zu idealistisch, erzählt Kiska. Fair enough. Das muss tatsächlich jede Person selbst für sich entscheiden. Um auf Alkohol oder Drogen zu verzichten, muss man sich nicht gleich einer Bewegung mit einem Regelwerk und eigenen Symbolen und dem ganzen Drumherum anschließen. Manchen, denen der Verzicht (noch) nicht leicht fällt, hilft es allerdings, Teil einer Community mit Gleichgesinnten zu sein.
  • Was bedeutet es, Straight X zu sein?
    Kiska im Interview über ihre Erfahrung

Fakt ist: Wir haben eine problematische Beziehung mit Alkohol


"Ab und zu sag ich scherzhafterweise nach einem stressigen Tag: jetzt einen Schnaps! – aber denke mir dann gleichzeitig: Wie seltsam eigentlich." - Kiska

16 Prozent der Männer und elf Prozent der Frauen in Deutschland trinken in "riskanten Mengen" - so wird es im Alkoholatlas 2022 zusammengefasst. Regelmäßiger Alkoholkonsum führt zu gesundheitlichen Problem, kann sogar lebensgefährliche Krankheiten verursachen, sogar Krebs auslösen und schließlich auch zum vorzeitigen Tod führen. Trotzdem ist Alkohol fester Bestandteil der meisten Kulturen und auf Partys wird man eher schräg angeschaut, wenn man eine Apfelschorle schlürft, als wenn man sich mit zehn Shots hintereinander die Birne wegknallt. Im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenverzicht gibt es viele Vorurteile. Zum Beispiel: 

Ohne Rausch keine Kunst?

Während in puncto Straight Edge nun einige gerne argumentieren, ohne Rausch wären viele Kunstwerke und Musikstücke nie entstanden, könnte man sich auch fragen, warum der Geist vieler nüchtern so benebelt oder abgelenkt ist, dass er aus eigener Kraft nichts Fantastisches kreieren kann. Viele große Künstler*innen sind bekannt dafür, keinen Alkohol (mehr) zu trinken und trotzdem noch wahnsinnig kreativ zu sein. Hier eine kleine Auswahl:

5 Künstler*innen, die auf Alkohol & Drogen verzichten:

  1. Der US-amerikanische Rapper Tyler, The Creator ist Anhänger der Straight Edge-Bewegung.
  2. Die Musikerin Lana Del Rey trinkt keinen Alkohol mehr, seit sie 15 ist.
  3. Die Autorin und Moderatorin Charlotte Roche trinkt seit 2010 keinen Alkohol mehr.
  4. Die Musikerin Florence Welch von Florence + The Machine trinkt seit 2015 keinen Alkohol mehr.
  5. Elton John ist seit 30 Jahren trocken.

Feiern geht auch ohne Alkohol

Ein weiteres Vorurteil: "Wie soll man denn bitte ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben?" Diese Situation kennt unsere Interview-Partnerin Kiska natürlich auch nur zu gut. Wenn sie jedoch mit ihren Freund*innen unterwegs in einer Bar ist und diese mehr und mehr vom Alkohol berauscht werden, steckt die Atmosphäre an sich in gewisser Weise an:

"Wenn ich in Bars bin mit Freund*innen die trinken, die dann tatsächlich berauscht sind, dann lässt man sich ein bisschen mitreißen. Und dann kommt dieses Gefühl schon trotzdem ohne den Einfluss von Rauschmitteln. Ich muss es nicht selber herbeiführen, aber ich hab's trotzdem." - Kiska



Es geht in keinem Fall darum, den Finger zu erheben

Kiska - so wie die meisten Anhänger*innen der Straight Edge-Bewegung - verurteilen andere Menschen nicht, die weiterhin Alkohol trinken, Drogen nehmen oder Sponti-Sex auf dem Clubklo haben. Jeder erwachsene Mensch sollte in sich selbst hineinfühlen und reflektieren: "Warum trinke ich Alkohol?" und überlegen, ob der Grund die Nachteile rechtfertigt.

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